Der Ausdruck ist fester Bestandteil von Erdogans rhetorischem Repertoire. Er benutzt ihn immer dann, wenn er Kritikern eins auswischen will: «Osmanli tokadi». Übersetzt: osmanische Ohrfeige.
Eine solche verpasste er Ende August einer in Basel geborenen und aufgewachsenen Kurdin. Türkische Regierungsbeamte kassierten ihren Pass. Seither ist sie quasi staatenlos.
Der von SonntagsBlick aufgedeckte Vorfall passierte nicht irgendwo in Izmir oder Ankara, sondern mitten in der Stadt Zürich – auf dem türkischen Konsulat.
Damit trifft die osmanische Ohrfeige nicht nur die Basler Kurdin, sondern auch die offizielle Schweiz. Und was tut diese? Sie hält brav die Wange hin.
Die betroffene Frau bat das Aussendepartement (EDA) in Bern um Hilfe.
Doch der Bund wimmelte sie ab. Man könne nichts tun. Gegenüber dem SonntagsBlick rechtfertigt sich ein EDA-Sprecher: «Die Vergabe und der Entzug von Reisepässen obliegen der ausstellenden Behörde des Herkunftslandes der jeweiligen Staatsangehörigen.»
Die Antwort irritiert. Da wird einer Basler Bürgerin widerrechtlich und unter fadenscheiniger Begründung der Pass weggenommen – und die Schweiz schaut tatenlos zu. Da nutzt die türkische Regierung die diplomatische Vertretung in Zürich als Mobbing-Instrument gegen eine Kritikerin – und die Schweiz schweigt.
Indem die hiesigen Behörden mutlos daneben stehen, helfen sie dem türkischen Autokraten dabei, Andersdenkende einzuschüchtern und sie mundtot zu machen. Statt sich hinter die betroffene Frau zu stellen, macht die Schweiz sich zum Handlanger für Erdogans Kampf gegen Oppositionelle.
Egal, was die Schweiz tut, Erdogan dürfte sich davon kaum beeindrucken lassen. Und doch könnte sich der Bund gegen Ankaras Willkür wehren. Er muss es sogar. So könnte die Schweiz etwa den türkischen Botschafter einbestellen. Ihm klarmachen, dass diktatorische Methoden wie sie in der Türkei angewandt werden, in unserem Land nichts verloren haben. Der Bundesrat könnte in Ankara eine Protestnote deponieren und hinter den Kulissen diplomatische Gespräche führen.
Warum tut die Schweiz das nicht? Einen Hinweis liefert das EDA auf seiner Webseite selbst. Zwischen der Schweiz und der Türkei bestünden «enge Wirtschafts- und Handelsbeziehungen», steht da. Kommt hinzu: Erdogan dient Europa als Bollwerk gegen Flüchtlinge. Will der Bund das alles nicht gefährden?
So oder so: Die Schweiz muss sich bedingungslos hinter die betroffene Frau stellen. Stattdessen richtet das EDA kleinlaut aus: «Die Schweiz hat die Souveränität anderer Staaten zu beachten.» Diplomatensprech für: Wir kuschen vor Erdogan. Eine doppelte Ohrfeige für die Baslerin.