SBB-Pannenzug
Hinstehen, Andreas Meyer!

Die Zeit der Eitelkeiten ist vorbei. Es glaubt niemand mehr, dass der Pannenzug nur an Kinderkrankheiten leidet. Jetzt muss der SBB-Chef Antworten liefern.
Publiziert: 13.01.2019 um 02:43 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 12:24 Uhr
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Moritz Kaufmann, Wirtschaftsredaktor.
Foto: Shane Wilkinson
Moritz Kaufmann
Moritz KaufmannWirtschaftsredaktor

Wir Schweizer blicken amüsiert nach Berlin. Vor acht Jahren sollte der Hauptstadt-Flughafen BER eröffnet werden. Noch ist kein Koffer durch den Prestige-Bau gerollt. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. Doch selbst wenn: Die Deutschen haben einen Total-Murks angerichtet.

Uns könnte so etwas nicht passieren, meinen Sie? Vor zehn Jahren schrieben die SBB einen Prestige-Auftrag aus, den grössten in der 
Geschichte des Schweizer Staatsbetriebs. Es ging um 59 Intercity-Züge zum Preis von maximal 2,1 Milliarden Franken. Vor neun Jahren erhielt Bombardier den Zuschlag. Mit 1,9 Milliarden war der kanadische Hersteller am günstigsten. Er versprach, den ersten Zug 2013 auszuliefern. «Ein historischer Tag für den Personenverkehr», jubelte SBB-CEO Andreas Meyer.

Selbstverständlich erreicht dieser Fall nicht die finanziellen Dimensionen des BER-Debakels. Und immerhin rollt das erste Dutzend Bombardier-Züge bereits über die Schweizer Schienen. Aber punkto Murks sind wir gut dabei. Allein am Donnerstag trafen zwei neue Hiobsbotschaften ein: Der Behinderten-Dachverband Inclusion Handicap zieht wegen des Zugs vor Bundesgericht – Rollstuhlfahrer könnten nicht ohne fremde Hilfe ein- und aussteigen, was gegen das Gesetz verstosse. Am Abend entschuldigten sich die SBB bei den Passagieren per Medienmitteilung für «Ausfälle und Verspätungen».

Bombardier müsse die Mängel nun beheben. Um nur einige zu nennen: Die Software-Probleme, die Türstörungen, das Schütteln der Waggons bei niedrigem Tempo.

Längst geht es um mehr als technische Pannen. Wie Informationen zeigen, die SonntagsBlick jetzt von Insidern erhalten hat, stehen möglicherweise Hunderte Millionen Franken auf dem Spiel. Klarheit schaffen können nur Bombardier und die SBB. Zwischen den beiden ist das Tuch längst zerschnitten. Dabei sind sie durch einen Vertrag anei-nandergefesselt, von dem man gerne wüsste, was eigentlich drinsteht. SBB wie Bombardier beharren auf dem vereinbarten Stillschweigen. Verständlich: Die Schweizer sind laut einer Studie aus dem Jahr 2018 das «beste Bahnunternehmen Europas». Da liegt eine Blamage natürlich nicht drin. Und die Kanadier stecken nach zahlreichen Fehltritten mitten in einem schmerzhaften 
Restrukturierungsprozess. Weitere Negativ-Schlagzeilen wären Gift im Kampf um neue Aufträge.

Doch die Zeit der Eitelkeiten ist vorbei. Nach so vielen Jahren und Rückschlägen glaubt niemand mehr, dass der FV-Dosto – wie der Pannenzug offiziell heisst – lediglich an ein paar Kinderkrankheiten leidet. Die SBB gehören zu 100 Prozent dem Staat. Das Geld, das sie ausgeben, ist letztlich unseres. 1,26 Millionen Menschen fahren täglich Zug. Sie verdienen Antworten. Andreas Meyer, bitte stehen Sie hin!

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