Über Bildschirme weltweit flimmern mit dem Prozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard Scherben einer toxischen Beziehung. Heard wirft Depp physische und sexuelle Gewalt vor. Er habe sie unter anderem mit dem Hals einer Flasche missbraucht. Während Depp unterstützt wird, erhält Heard Morddrohungen. Auf Social Media ist es Trend, sie zu hassen und sich über sie lustig zu machen. Heard weint zu viel, wird zu laut, lächelt. Ihr Blick ist zu starr. Sie wirkt «nicht natürlich». Für Depps Unterstützer ist sicher: So sieht kein Opfer aus. Es gibt Unklarheiten im Streit zwischen den beiden. Einiges ist klar. Depp schrieb in einem SMS: «Lass uns Amber verbrennen! Wir ertränken die Hexe, bevor wir sie verbrennen. Dann habe ich Sex mit ihrer Leiche.» In einer Aufnahme sagt sie ihm, er solle seine «Zigaretten an jemand anderem ausmachen». Er: «Halt die Klappe, fetter Arsch.» Wie mein Kollege schreibt, ist auch Heards Position alles andere als schattenlos. Die Wahrheit kennen nur sie selbst. Depp-Fans bedienen allerdings ein altbekanntes Narrativ: Dasjenige der hysterischen, rachsüchtigen Frau. Und sie schreiben Gewaltopfern vor, wie sie auszusehen und sich zu verhalten haben – fünf Jahre nach #MeToo ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Der Prozess zeigt zumindest eines: wie tief Sexismus immer noch verankert ist.