Das Schulhaus, in dem meine Tochter die Grundschule besucht, hat einen Ausländeranteil von etwa 90 Prozent. Was die Lehrpersonen dort jeden Tag für die Integration leisten, beeindruckt mich. Nicht zu vergessen die Jugendarbeit in den Gemeinden, die Sportvereine oder die Aufgabenhilfe für jene, deren Eltern beide voll arbeiten und wegen mangelnder Sprachkenntnis nicht helfen können.
Leider geistern durch die Medien oft nur die Schattenseiten der Migration. Schwierigkeiten rund um Einwanderung in die Sozialwerke oder Lohndumping durch Wirtschaftsflüchtlinge. Das muss man thematisieren, keine Frage.
Nicht nur auf die Nati schauen
Aber wo bleiben die Berichte über Migration als Gewinn für die Schweiz, und zwar menschlich wie wirtschaftlich? Dazu muss man nicht nur auf die Fussballnationalmannschaft schauen. Man kann es auch im Kleinen, Alltäglichen sehen. Geht man etwa die Namen erfolgreicher Lehrabschlussprüfungen in einer typischen Branche durch (Gewerbe, Handwerk, Büro), dann tauchen viele ausländische Namen auf. Ebenso an Gymnasien und Hochschulen.
Als Kind italienisch-spanischer Einwanderer weiss ich, wie schwer es für viele ist, ihren Platz zu finden. Und es gibt nach wie vor Rassismus, da kenne ich aus nächster Nähe aktuelle Beispiele von jungen Secondos.
Diplom für den «Problemfall»
Ich weiss aber auch von Betrieben, deren Lehrmeister bewusst einen «Problemfall» auswählt, der sonst nirgends eine Chance hat. Dieser Lehrmeister kümmert sich oft über Jahre um seinen «Problemfall». Ein anstrengender Weg, der aber damit enden kann, dass die ganze Familie dankbar ist, wenn der Lehrling schliesslich sein Diplom entgegennimmt. Was solche Betriebe leisten, würde mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Ein Hoch auf die Lehrerinnen!
Das Gleiche gilt für die Integrationsklassen in der Grundschule. Ich kenne Lehrerinnen, die solche Klassen seit Jahren begleiten, Schülerinnen und Schüler, die oft ohne jede Vorbildung oder Deutschkenntnis aus einem krisengeschüttelten Gebiet kommen, aus kaputten Nationen und Familien.
Es gäbe noch viele Beispiele, die ein entsprechendes Medienecho verdienen. Wenn ich mir vor den Sommerferien fürs neue Schuljahr etwas wünschen könnte, dann dies: mehr öffentliche Aufmerksamkeit für positive Geschichten.
Giuseppe Gracia (51) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Sein Buch «Das therapeutische Kalifat» ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. In seiner BLICK-Kolumne, die normalerweise jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.