Heute müssen Sie die Uhren um eine Stunde vorstellen
Es lebe die Sommerzeit!

Seit genau 40 Jahren stellen wir in der Schweiz die Zeit um – und tun dies hoffentlich noch lange.
Publiziert: 29.03.2021 um 20:10 Uhr
|
Aktualisiert: 30.03.2021 um 15:48 Uhr
Daniel Arnet, Autor SonntagsBlick-Magazin

Heute Morgen mögen sich manche an das Abspannlied der Zeichentrickfilm-Serie «Der rosarote Panther» erinnert fühlen: «Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?» Ja, tatsächlich: In dieser Nacht sind die Uhren um eine Stunde vorgerückt; war es vor 24 Stunden noch 9 Uhr, ist es jetzt bereits 10 Uhr – die Sommerzeit hat angefangen und endet am 31. Oktober.

Plagten sich früher manche mit der Justierung ihrer Uhr rum – muss ich jetzt den Stundenzeiger eine Runde vor- oder zurückdrehen? –, hat sich das heute mit den digitalen Funkuhren erübrigt, denn die stellen die Zeit automatisch richtig ein. Doch das Gemurre wegen der Sommerzeit, die in der Schweiz seit genau 40 Jahren gilt, ist nicht gewichen: Bauern beklagen sich wegen der veränderten Melkzeit am Morgen, Eltern ärgern sich am Abend mit den Kindern rum, die nicht ins Bett wollen, solange es draussen hell ist.

Eine Stunde mehr Schlaf im Oktober

Gestern ging die Sonne bei uns kurz vor 19 Uhr unter, heute verschwindet sie kurz vor 20 Uhr hinterm Horizont. Im Hochsommer lassen sich dann die schönen Tage bis gegen 21.30 Uhr bei Sonnenlicht geniessen. Denn wir sind heute nachtaktiver. Schon Benjamin Franklin (1706–1790) monierte 1784 im «Journal de Paris», das ausgedehnte Nachtleben vergeude Energie für künstliches Licht. Dagegen helfe früheres Aufstehen und Zubettgehen. Die Menschen entschieden anders und stellten stattdessen die Uhren vor.

Zugegeben, der Energiesparnutzen ist gering, zumal man heute Lichtquellen mit weniger Stromverbrauch einsetzt. Aber die Lebensenergie, die einem ein lauschiger Dämmerabend draussen im Stadtpark oder im Dorfgarten gibt, ist riesig. Was ist da der Aufwand, sich zweimal im Jahr kurz an neue Uhrzeiten gewöhnen zu müssen? Erst recht, wenn man bedenkt, dass die Umstellung auf die Winterzeit im Oktober eine Stunde mehr Schlaf bedeutet – darauf freue ich mich jetzt schon.

Versuche, die Sommerzeit abzuschaffen, scheiterten

Freilich sehen das nicht alle so. Doch alle Versuche, die Sommerzeit abzuschaffen, scheitern: In der Schweiz kamen entsprechende Volksinitiativen 1982 und 2020 schon bei der Unterschriftensammlung nicht zustande; und die öffentliche, nicht repräsentative Konsultation auf europäischer Ebene von 2018 ergab zwar eine überwältigende Mehrheit von 84 Prozent gegen die Zeitumstellung, aber auch dieses Votum wird trotz anderslautenden Aussagen des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (66) ohne Folgen bleiben.

Denn auf was würden sich die europäischen Länder einigen? Auf ewige Sommerzeit? Dagegen würden sich die Spanier wehren, denn dann ginge in Madrid die Sonne am 21. Dezember erst nach 9.30 Uhr morgens auf. Also ewige Winterzeit? Dagegen sprächen sich die Österreicher aus, denn dann ginge in Wien die Sonne sogar am 21. Juni (der Sonnenwende) schon vor 20 Uhr unter – so wie bei uns heute Abend. Jetzt haben wir eine einheitliche Zeitzone von Spanien bis Polen, mit der Abschaffung drohte ein Flickenteppich samt Zeitumstellung von Land zu Land.

Totgesagte leben eben länger. Oder wie sagt es Paulchen Panther im Schlusslied der Trickfilmserie? «Heute ist nicht aller Tage. Ich komm' wieder, keine Frage.» Auch die Zeitumstellung möge uns noch lange erhalten bleiben.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?