Hass, Selbsthass, Attentate: Die gefährliche Welt der Incels
Frauen sind schuld

Sie hassen Frauen und am meisten sich selbst. In der traurigen, brandgefährlichen Internetwelt der Incels – Männer, die keine abkriegen und deshalb zu Mord bereit sind.
Publiziert: 01.03.2020 um 18:42 Uhr
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Autorin Silvia Tschui konnte kaum fassen, was sie in den Incels-Internetforen fand.
Foto: Simone Pengel
Silvia Tschui

Mehrere Attentate in den letzten Jahren hatten einen offen frauenfeindlichen Hintergrund. Für die Recherche dazu habe ich mich in die Welt sogenannter Incels, also unfreiwilliger Zölibatärer, begeben, die in Internetforen vor sich hinwuchert.

Ich habe Abstossendes gefunden. Junge (und ältere) Männer, die Bilder sadistisch gequälter Frauen und kleiner Mädchen zur Selbstbefriedigung teilen, Frauen Vergewaltigung, Folter und Tod wünschen. Gleichzeitig suhlen sie sich in Selbstmitleid: Sie würden nur keinen Sex kriegen, weil Frauen sich ausschliesslich reichen und erfolgreichen, gross gewachsenen Männern mit ausgeprägten Kiefern zu Füssen werfen würden. In Internetforen tauschen sie Selfies, auf denen sie masochistisch ihre Nachteile analysieren – vermeintlich zu geringe Breite ihrer Handgelenke, zu geringe Körper- oder Kiefergrösse. Sie fühlen sich zu kurz gekommen. Schuld daran: Frauen. Die verdienen deshalb den Tod.

Ihnen allen sage ich hier stellvertretend: Die meisten von euch sehen völlig normal bis gut aus. Und jetzt mal Klartext von einer Frau: Weder ein dickes Portemonnaie noch ein breiter Kiefer, noch Körpergrösse waren für mich persönlich je ein entscheidendes Kriterium, ob ich mit einem Mann befreundet oder sogar in einer Liebesbeziehung sein wollte. Sondern: Humor, die Fähigkeit, eine Konversation aufrechtzuerhalten, ein Interesse am Weltgeschehen und vielleicht auch an mir völlig fremden Dingen. Wenn jemand sie ein paar Mal zum Lachen gebracht hat oder ein guter Gesprächspartner ist, kann Frau die schiefste Nase oder die dürrsten Handgelenke attraktiv finden – und brennt vielleicht mit dem ärmsten Schlucker durch. Um längerfristig befreundet oder verliebt zu bleiben, braucht es noch ein paar Dinge: Freundlichkeit, Loyalität und Hilfsbereitschaft.

Es wäre schön, könnte man bei Incels von wenigen Irren ausgehen. Leider gehen Soziologen davon aus, dass es sich nur um die Spitze einer gesellschaftlichen Antwort auf die Errungenschaften der Gleichstellung und des Feminismus handelt. Wer sich als Mann abgehängt fühlt, sucht oftmals Feindbilder – Frauen, den Feminismus oder Immigranten, die ihnen die Jobs wegnehmen. Dabei ist alles für fast alle härter geworden. Setzen wir uns also besser für gerechte Mindestlöhne und Arbeitsverträge, für eine gerechte Besteuerung von Firmen und Banken und für eine Verringerung der Einkommens- und Vermögensunterschiede ein. Die sind übrigens heute schlimmer, als sie es in den 1920er-Jahren waren. Damals wie heute erstarkten deshalb Faschisten und Rechtspopulisten. Damals wie heute gab es viele Männer, die Frauen nur als Gebärerinnen und Hausfrauen sehen wollten. Wir alle wissen, wohin das damals geführt hat.

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