Ich gebe zu: Mich hat er auch schon provoziert. Als Lukas Bärfuss (47) Anfang Jahr in dieser Zeitung beklagte, «jeder liest für sich alleine», und kritisierte, dass die Schweiz für die Schullektüre keinen verbindlichen Bücher-Kanon kenne, griff ich in die Tasten und schrieb eine Replik.
Bärfuss regt auf, Bärfuss regt an. Beides brauchen wir. Mit Essays, Romanen und Theaterstücken mischt er sich in aktuelle gesellschaftliche Diskussionen ein – und liefert damit genau das, was man nach Frischs und Dürrenmatts Tod immer wieder von Schweizer Schriftstellern forderte. Bärfuss ist sich nicht zu schade, es mit Verve zu tun.
Nun also steht er folgerichtig in einer Reihe mit den beiden grössten Helden der helvetischen Moderne und erhält wie sie den Georg-Büchner-Preis – erst als vierter Schweizer, volle 25 Jahre nach dem letzten, Adolf Muschg. «Psychologische Sensibilität und einen Willen zur Wahrhaftigkeit», attestiert die Jury dem frisch gekürten Bärfuss.
Wahrhaftigkeit ist nichts, worüber man sich bei uns normalerweise freut: 2002 fühlten sich die Zuschauer durch Bärfuss’ «Affentheater» am Nationalfeiertag provoziert, 2010 nutzte er eine Lesung im Restaurant des Musikers Dieter Meier zur Beschimpfung des Publikums. Auch der Gastgeber war anwesend – und stinksauer!
Als «Provokateur, den wir brauchen», lobte der «Tages-Anzeiger» den in Thun Geborenen. Exklusiv im SonntagsBlick können Sie sich von Bärfuss, dem nun offiziell ausgezeichnetsten deutschsprachigen Autor dieses Jahres, herausfordern lassen – Monat für Monat, nächste Woche mit einem neuen Essay im Magazin.