Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Die verlogene Kampagne der SVP

Noch vor ein paar Jahren bestritten SVP-Exponenten den Klimawandel. Weil das nicht mehr zieht, zielt die Partei bei ihrem Kampf gegen das CO2-Gesetz auf den Benzinpreis. Aber auch diese Argumentation ist unredlich.
Publiziert: 02.05.2021 um 00:39 Uhr
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Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer

Als er noch SVP-Nationalrat war, schimpfte der Walliser Oskar Freysinger in einem Vorstoss über die «Mär vom menschengemachten Klimawandel». Uns stehe im Gegenteil «eine mehr oder minder dauerhafte Eiszeit» bevor. Derart unverfroren verdreht heute kein Politiker mehr die Wahrheit.

Oder etwa doch?

Am 13. Juni stimmen wir über das CO2-Gesetz ab. Der Ausstoss von Kohlendioxid soll gesenkt werden, die Schweiz einen Beitrag leisten, um die globale Klimaerwärmung wenigstens im Ansatz zu bremsen. Dieses Ziel wagt heute niemand ganz direkt anzugreifen – viel zu deutlich sind die Folgen des Klimawandels in den letzten Jahren zutage getreten. Als Gegnerin der Vorlage fokussiert sich die SVP darum voll auf die Kosten. Sie warnt davor, dass «das CO2-Gesetz Benzin und Diesel um zwölf Rappen pro Liter verteuert – das führt dazu, dass sich bald nur noch Reiche Mobilität leisten können». In Inseraten heisst das dann: «Autofahren nur für Reiche?»

Natürlich muss in einem Abstimmungskampf sowohl über den Wert eines Anliegens wie über seinen Preis gesprochen werden. Wenn es aber stimmt, dass Mehrkosten von zwölf Rappen das Autofahren unerschwinglich machen, stellt sich die Frage: Weshalb hat bislang kein Politiker den Umstand zumindest thematisiert, dass sich der Benzinpreis von Tankstelle zu Tankstelle unterscheidet? Zumal es hier um mehr als zwölf Rappen geht.

Gemäss dem Vergleichsportal benzin-preis.ch kostete der Sprit diese Woche an einer Zapfsäule an
der A 2 35 Rappen mehr als im Aargauer Wynental. Warum schlägt die SVP hier nicht Alarm? Etwa deshalb, weil die 35 Rappen Zusatzgewinn in die Kasse eines Erdölkonzerns fliessen statt in den Klimaschutz?

Übrigens: Als Nationalrat Freysinger im Jahr 2013 über eine neue Eiszeit fabulierte, lag der Durchschnittspreis für einen Liter Bleifrei bei 1.77 Franken, 16 Rappen höher als heute.

An vorderster Front kämpft die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr gegen das CO2-Gesetz. Vor 14 Tagen trat sie als Mitglied des «Wirtschaftskomitees Nein zum CO2-Gesetz» vor die Medien. Diese Woche warnte sie an einer Pressekonferenz der SVP unter dem Titel «Mobilität nur noch für Reiche?» vor höheren Konsumentenpreisen. Gutjahr gab aber auch zu bedenken: «Die Wirtschaftszweige, die sich für das Gesetz einsetzen, tun dies aus Eigeninteresse, denn sie profitieren direkt davon.»

Die Kleinen sollen blechen, damit andere profitieren. Als Mitinhaberin des Stahl- und Metallbauunternehmens Ernst Fischer AG in Romanshorn TG weiss Diana Gutjahr, wovon sie spricht. Die Ernst Fischer AG ist spezialisiert auf den Bau von Tankstellen. Von der BP-Tankstelle bei Ascona TI über die Migrol im Berner Westside bis hin zu Shell in Trübbach SG: Alle stammen aus der Produktion von Diana Gutjahrs Firma. Auch Avia, Esso und Socar gehören zur Kundschaft. Bei ihren Auftritten gegen das CO2-Gesetz behält Gutjahr ihre Geschäftsbeziehungen allerdings für sich.

Das ist selbstverständlich nicht verboten. Aber es ist verlogen.


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