Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Die SVP ist die Partei der Bonusbanker und der Gegner der Bonusbanker

Einmal gegen Grossbanken, einmal für Boni: Thomas Aeschi, Fraktionschef der SVP, hatte am Dienstag im Nationalrat zwei bemerkenswerte Auftritte. Sie zeigen das Wesen der grössten Partei des Landes.
Publiziert: 16.04.2023 um 14:30 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2023 um 13:00 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Thomas Meier
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Dienstagabend im Nationalratssaal. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi steht am Mikrofon: «Der Bundesrat und die Finma haben ihre Aufgabe nicht gemacht. Schon wieder müssen die Steuerzahler eine Schweizer Grossbank retten. Die SVP-Fraktion sagt klar Nein zur 109-Milliarden-Franken-Garantie des Bundes.»

Das war um 19.37 Uhr, an der ausserordentlichen Session zur staatlich arrangierten Übernahme der CS durch die UBS. Um 20.34 Uhr trat Thomas Aeschi ein zweites Mal ans Rednerpult. Nun wandte er sich gegen die Forderung, dass Grossbanken über solidere Finanzpolster verfügen müssen. In Aeschis Augen wäre der CS wegen einer solchen Vorgabe nicht mehr Vertrauen entgegengebracht worden. Und noch etwas sagte der Nationalrat aus dem Kanton Zug: «Auch ein Verbot von Bonuszahlungen für systemrelevante Banken hätte die Credit Suisse nicht gerettet.» Mit solchen Forderungen muss man ihm gar nicht erst kommen.

Damit setzte sich Thomas Aeschi binnen einer Stunde einmal als scharfer Kritiker der Grossbanken in Szene und einmal als deren willfähriger Fürsprecher.

Das ist keine zufällige Verirrung. Vielmehr offenbart sich hier das Geschäftsmodell der SVP in seinem Kern. Die SVP ist die Partei der Bonusbanker. Zugleich ist sie die Partei derjenigen, die sich von diesen Bonusbankern mitsamt dem ganzen System, das solche Bonusbanker toleriert und notfalls sogar rettet, ganz besonders betrogen fühlen. Politik ist oftmals paradox und die SVP insofern eine echte Volkspartei, als sie derlei Widersprüche locker in sich vereinigt.

In diesem Sinne muss man auch Thomas Aeschis Aussage über die Finanzmarktaufsicht verstehen. Heute tadelt die SVP die Finma dafür, dass sie der CS nicht besser auf die Finger schaute – in den Jahren zuvor hatte sich die Partei erfolgreich gegen eine starke Finma zur Wehr gesetzt.

2022 monierte SVP-Nationalrat Bruno Walliser, dass «die Finma selbst entscheidet, ob und wie sie regulieren will».

2021 klagte SVP-Nationalrat Thomas Matter über «hohe und kostspielige Finma-Auflagen».

Zitat aus einer Pressemitteilung der SVP-Bundeshausfraktion vom 17. Februar 2018: «Einstimmig unterstützt werden zwei Vorstösse, die das Aufgabengebiet der Finanzmarktaufsicht einschränken wollen.»

2017 kritisierte SVP-Nationalrat Gregor Rutz die Finma dafür, «ihren Auftrag extensiv zu interpretieren und ohne Kontrolle mit einer übermässigen Eigendynamik neue Tätigkeiten zu entfalten».

Im gleichen Jahr bezog Thomas Aeschi Position gegen die Finma und hielt fest: «Selbstregulierung hat sich in der Schweiz bewährt.»

2012 schrieb SVP-Nationalrat Thomas de Courten in einem Postulat: «Der aktuelle Regulierungseifer der Finma führt zu Unsicherheiten auf dem Finanzplatz, die Auswirkungen auf Standortattraktivität und die gesamte Wirtschaft haben.»

Und wen könnte – Preisfrage zum Schluss – Thomas Aeschi gemeint haben, als er am Dienstag dem Bundesrat vorwarf, seinen Aufgaben nicht nachgekommen zu sein? Doch nicht etwa seinen Parteikollegen Ueli Maurer? Jenen Ueli Maurer, der in seinen letzten Tagen als Finanzminister die CS lobte und erklärte, man müsse die Bank jetzt einfach mal ein, zwei Jahre in Ruhe lassen?

Unmittelbar nach Maurers Rücktritt aus der Landesregierung Ende 2022 berichteten verschiedene Medien, der alt Bundesrat werde im Wahlkampf der SVP eine tragende Rolle übernehmen. Vielleicht ist das gar nicht mehr nötig. Denn wenn die Politik aus der globalen Finanzkrise von 2008 etwas gelernt hat, dann dies: Solche Ereignisse spielen den Parteien am rechten Rand in die Hände. Diese haben auf die wirtschaftlichen Sorgen der Menschen schlicht die einprägsamste Antwort. (Wobei diese Antwort nicht etwa «Missmanagement» lautet, sondern «Zuwanderung».)

Insofern hat Ueli Maurer mit seiner Untätigkeit in Sachen CS für die SVP vermutlich mehr gemacht, als wenn er seine Verantwortung wahrgenommen und das serbelnde Finanzinstitut nicht einfach sich selbst überlassen hätte. Thomas Aeschi kann zufrieden sein.

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