Der Hype um James Bond
007, der schiessende Influencer

Die Wiederauferstehung des britischen Geheimagenten verblüfft. Lange schien er seine besten Zeiten hinter sich zu haben, jetzt ist er zurück – als Werbeträger.
Publiziert: 03.10.2021 um 11:16 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2021 um 16:52 Uhr
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Ballernde Litfasssäule: Actionstar Daniel Craig aka James Bond.
Foto: keystone-sda.ch
Reza Rafi

Die Bilder fallen ins Auge, erst recht nach der Corona-Pause. Herausgeputzte Erwachsene drängen sich an der Premiere und strahlen wie Kinder vor dem Zuckerwattenstand. Die Rede ist vom Hype um einen Filmhelden: James Bond, den britischen Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät.

Mit «Keine Zeit zu sterben» ist diese Woche die Nummer 25 der Bond-Reihe in den Kinos gestartet. Das Publikum jubelt wie schon lange nicht mehr, sogar mit royalem Segen. Und wir Medien feiern Hauptdarsteller Daniel Craig, wie einst die Stars aus Hollywoods goldenen Zeiten gefeiert wurden.

Die Renaissance der Ian-Fleming-Figur verblüfft, zumal Bonds Stern lange Zeit zu sinken schien. Seine Hochkonjunktur erlebte er im Kalten Krieg, als kühner Grenzgänger zwischen den Blöcken. Er operierte im kommunistischen Feindesland und erledigte grössenwahnsinnige Kapitalisten, sorgte für Frieden auf der Welt und in seinem Schlafgemach. Der Titel «Liebesgrüsse aus Moskau» muss 1963 wie eine Provokation geklungen haben.

Dann kam 1989. In der multipolaren Weltordnung geriet auch der MI6-Agent in eine Orientierungskrise. Mal kämpfte er gegen einen Medienmogul, mal gegen einen Cyberterroristen. Oder, wie im neuesten Streifen, gegen den Dauerhalunken Ernst Stavro Blofeld.

Der Brexit hat die Entfremdung noch verschärft: Würde 007 auch für Brüssel sterben? Oder doch lieber für Londons neue Verbündete im Pazifik und am Persischen Golf?

Die Konkurrenz aus der Traumfabrik machte es ihm nicht leichter. So Ethan Hunt, der von Tom Cruise gespielte Elitesoldat aus der «Mission Impossible»-Reihe, oder der CIA-Killer Jason Bourne, verkörpert von Matt Damon.

Unterdessen wandelte sich Bond zum tragischen Helden, zum geschmähten weissen Cis-Mann, der als indentitätspolitische Projektionsfläche ebenso herhalten muss wie als Werbefigur. Seine Filme wurden zu wahren Product-Placement-Partys. Von Autos über Kleider oder Uhren bis hin zu Spirituosen ist Bonds Welt von Schleichwerbung durchsetzt. Und Adidas bietet einen James-Bond-Laufschuh an (225 Franken).

Die Produzentenfamilie Broccoli trimmte 007 zum schiessenden Influencer, zum Symbol des kommerziellen Ausverkaufs einer unter Druck stehenden Unterhaltungsindustrie. Bond, die ballernde Litfasssäule.

Die jetzige Wiederauferstehung des Geheimagenten ist wohl Ausdruck einer Sehnsucht nach einer längst vergangenen Normalität.

Im SonntagsBlick lesen Sie, wer auf den scheidenden Bond-Mimen Craig folgen könnte. Die Saga, das ist sicher, wird weitergehen.

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