Letztes Jahr band Boris Johnson pünktlich zu Heiligabend ein Schleifchen um seinen Brexit-Deal. Kurz vorher hatte er mit seinen konservativen Tories bei den Parlamentswahlen einen Erdrutschsieg eingefahren, der die innenpolitische Blockade löste und endlich ein Vorankommen beim ewigen Zankapfel ermöglichte.
Dieses Jahr gibts – Stand Samstag – ein bitteres Folgegeschenk: den No-Deal-Brexit mit ordentlich Zöllen und hohen Handelshürden. Denn mit dem Jahr endet auch die Übergangsfrist der bislang nur formal aus der EU ausgetretenen Briten. Die letzte Verhandlungsrunde scheiterte (mal wieder) krachend, ein Anschlussdeal ist nicht in Sicht. Es hakt an Einigkeit bei der Wettbewerbsfairness, der Fischerei und den Regeln zur Einhaltung des Abkommens.
Weil Boris Johnson dringend gute Nachrichten braucht, legt er den Briten dafür schon mal ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk vor: Als erstes westliches Land startet Grossbritannien schon in dieser Woche mit der Corona-Impfung von Biontech und Pfizer.
Möglich macht den Impfcoup eine Notfallzulassung über die britischen Behörden, die den Hersteller von jeder Haftung freispricht. Resteuropa muss sich gedulden, bis die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) nachlegt. Deren Mühlen mahlen voraussichtlich einen Monat langsamer.
Die britische Regierung verkauft ihren Impfturbo als Brexit-Erfolg, was eine dreiste Lüge ist. Schliesslich untersteht die Insel noch EU-Recht. Den Weg der Notfallzulassung hätte jedes EU-Land wählen können. Der Impfcoup ist – ganz im Gegenteil – wenn schon ein europäischer Erfolg, schliesslich wurde der Impfstoff in Deutschland entwickelt und wird in Belgien produziert.
Aber weil ja bald Weihnachten ist: geschenkt.
Wenn man den Alleingang positiv sehen will, spielen die Briten für den Rest der Welt das Versuchskaninchen. Man darf sich also durchaus auf die Fotos vom Briten-Premier mit Nadel im Arm freuen. Und hoffen, dass Johnson es schafft, die Impfgegner im eigenen Land zu überzeugen.
Worauf der Regierungschef die Briten schon vorbereitet hat: Weil die Massenimmunisierung Monate – wenn nicht Jahre – dauert, wird Corona mit der Impfung nicht vorbei sein. Das hat das Virus mit dem Brexit gemeinsam. Auch der wird für die Briten nicht enden, nur weil die Übergangsfrist endet.
Selbst wenn Boris Johnson und EU-Chefin Ursula von der Leyen, die sich der Sache nun persönlich annehmen, in letzter Sekunde einen Durchbruch erzielen und Weihnachtswunder-tauglich noch rechtzeitig zum Jahreswechsel ein Handelsdeal steht, ist die Beziehung damit nicht final geklärt.
Den Briten droht das Schweizer Schicksal: Künftig wird es laufend Verhandlungen und Gespräche mit der EU geben. Wegen der geografischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten ist das unvermeidlich. Fröhlichen Brexit!