Überall mangelt es an Personal. In der Küche, an der Ladenkasse, auf dem Bau. Das Jammern der Arbeitgeber ist unüberhörbar. Gleichzeitig sind Tausende Fachkräfte als arbeitslos gemeldet. Eine paradoxe Situation, aber nur auf den ersten Blick. Wer schuftet schon gerne für einen Hungerlohn?
Sicher nicht die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter, die gestern in Zürich auf die Strasse gingen. Dass sie gerade jetzt mit den Muskeln spielen, hat einen guten Grund: Ihre Verhandlungsposition ist in diesem Sommer so gut wie schon lange nicht mehr. Die Auftragsbücher sind voll, der Arbeitsmarkt ausgetrocknet. Trotz Putins Krieg in der Ukraine brummt die Wirtschaft. Alle holen nach, was sie während der Pandemie verpasst haben.
Geklingelt hats bislang aber nur in den Kassen der Topverdiener. Ihre Löhne sind in den letzten Jahren teils kräftig gestiegen. Dabei waren es vor allem Angestellte mit kleinen und mittleren Einkommen, die sich in der Corona-Krise solidarisch zeigten, indem sie etwa Kurzarbeit ohne Murren akzeptierten.
Viele Arbeitgeber aber lässt der bevorstehende heisse Lohnherbst kalt. Sie malen den Teufel Rezession an die Wand und rechnen mit steigenden Arbeitslosenzahlen im Winter. Eine zynische Wette, die Gift ist für den sozialen Frieden.
Es ist an der Zeit, dass die Arbeitgeber die Solidarität erwidern. Mit einem Teuerungsausgleich und einer anständigen Lohnerhöhung. Ansonsten bleibt der Gasthof Bären montags weiterhin zu, und am Flughafen, wo schon heute das Chaos regiert, gehen noch mehr Gepäckstücke verloren.