Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Nicht alles Gold glänzt

Jetzt setzen alle auf die Beständigkeit von Gold. Doch dieses Buch zeigt, dass das Edelmetall ein ambivalenter Wert ist. Wie schrieb schon der US-amerikanische Lyriker Robert Frost (1874–1963): «Nichts Goldenes hat Bestand.»
Publiziert: 05.09.2020 um 13:02 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2020 um 16:54 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

56'964 Franken: So viel kostet zurzeit ein Kilo Gold. Das Edelmetall ist damit über 20 Prozent höher im Kurs als zu Beginn des Jahres. In Krisenzeiten – wie jetzt während der Corona-Pandemie – legen viele ihr Geld in sichere Werte an. «Selbst Viren also können die Wertschätzung des Goldes beeinflussen», schreibt der Schweizer Schriftsteller Ralph Dutli (65) in seiner eben erschienenen Kulturgeschichte des Goldes.

«Gold ist Symbol für Glanz und Gier, zwischen Vergöttlichung und Verteufelung, Veredelung und Verkotung, Erhebung und Verdammung», schreibt Dutli. Gold sei Grund für Kriege gewesen, zahllose Menschen hätten ihr Leben für das glänzende Metall lassen müssen. «Es ist noch heute in den Minen der Welt Ursache für Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Kriminalität.» Er zieht als Beleg das letztjährige Buch «Goldwäsche» des Schweizer Strafrechtlers Mark Pieth (67) heran.

Dutli wäre nicht der feinsinnige und belesene Schriftgelehrte, wenn er in seinem Buch nicht auch dem Gold als Faszinosum für die Fantasie nachspüren würde. «Gold strahlt in Mythen und Märchen, Gold blitzt im Schatz der Sprichwörter vieler Völker», schreibt er. «Gold ist ‹in aller Munde›.» Neben dem reichen Schatz des deutschen Volksmundes zitiert er Lyrik von der Antike bis zur Gegenwart: Im letzten Viertel des Buches sind Gedichte zum Thema abgedruckt – eine berauschende Anthologie.

«Goldrausch» – Charlie Chaplins (1889–1977) Film von 1925 – darf in einer Kulturgeschichte zu diesem Edelmetall natürlich nicht fehlen. Lehrreich liefert Dutli sogleich den realen Hintergrund nach: Das Aufblitzen eines Goldnuggets in der Baugrube der Sägemühle des Schweizer Auswanderers und Grossgrundbesitzers Johann August Sutter (1803–1880) am Morgen des 24. Januar 1848 – der Startschuss zur Goldsuche kalifornischer Glücksritter.

Schmutz, Gewalt und Krankheit trafen sie dort an, krank machende, quecksilberverseuchte Seen und Flüsse liessen sie zurück. «Meist steckt Gold in Legierungen mit anderen Metallen», schreibt Dutli. «Zwanzig Tonnen Gestein müssen zermahlen werden, um eine einzige Unze Gold (31,1 Gramm) zu gewinnen. (…) Für ein Kilogramm gewonnenes Gold fallen zehn bis zwanzig Tonnen Kohlendioxid an.» Ein Desaster für die Umwelt, wenn man bedenke, dass die Menschheit bis heute rund 200'000 Tonnen Gold an die Oberfläche befördert habe.

Ein überzeugendes Beispiel für Recycling seien die Olympischen Sommerspiele 2021 in Tokio: Die Japaner sammelten Tonnen von Elektroschrott, um daraus 32 Kilogramm Gold, 4100 Kilogramm Silber und 2700 Kilogramm Bronze zu gewinnen – 5000 olympische Medaillen im Wert von drei Millionen Euro habe man daraus hergestellt. «Selbst Olympia lernt sparen und recyceln», so Dutlis Fazit. «Auch dafür sollte es eine Goldmedaille geben.»

Ralph Dutli, «Das Gold der Träume – Kulturgeschichte eines göttlichen und verteufelten Metalls», Wallstein

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