Der Hollywood-Spielfilm «Die Unbestechlichen» von 1976 ist Ihnen sicher ein Begriff. Nicht? Der wahre Inhalt aber bestimmt: Dustin Hoffman und Robert Redford spielen darin nämlich die beiden «Washington Post»-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward, die den republikanischen Abhörversuch des demokratischen Wahlkampfbüros im Washingtoner Watergate-Gebäudekomplex aufdecken. Die Watergate-Affäre führt 1974 zum bisher einzigen Rücktritt eines US-Präsidenten – dem von Richard Nixon (1913–1994).
Nipplegate, Rubygate, Ibizagate: Der Zusatz «-gate» ist seither Bezeichnung für Skandale, die oft zum Sturz hehrer Herren führen. In der Manier von Bernstein/Woodward bringen 2017 die beiden «New York Times»-Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey den US-Filmmogul Harvey Weinstein (68) zu Fall. Weinsteingate? Hollywoodgate? Weit mehr, denn ihr Artikel tritt eine weltweite Bewegung los, in der sich betroffene Frauen gegen sexuelle Übergriffe von Männern wehren: #MeToo.
«Harvey Weinstein Paid Off Sexual Harassment Accusers for Decades» titelt die «New York Times» den Artikel vom 5. Oktober 2017, in dem Kantor und Twohey erstmals aufdecken, wie der Produzent von Filmen wie «Shakespeare in Love» (1998) und «Gangs of New York» (2002) sich über Jahrzehnte von Anklagen sexueller Belästigung freikaufte. Doch durch diese minutiöse Recherchearbeit, in dem Opfer erstmals an die Öffentlichkeit gehen, ist Schluss mit dem Gebaren – Weinstein muss in der Folge für 23 Jahre hinter Gitter.
Gwyneth Paltrow (47), die für ihre Hauptrolle in «Shakespeare in Love» einen Oscar bekommt, ist eines seiner Opfer. Weinstein bestellte sie auf eine Hotelsuite. «Ich kam dort angehüpft wie ein Golden Retriever, total glücklich, Harvey zu sehen», zitieren Kantor und Twohey die Schauspielerin. Ein geschäftliches Treffen, dachte sie. «Doch dann rückte Weinstein ihr näher, fing an, sie anzufassen, und bat sie für eine gegenseitige Massage hinüber ins Schlafzimmer.»
Schockiert zwar, ist Paltrow trotzdem keine Kronzeugin im Zeitungsartikel vom 5. Oktober 2017. Denn Mädchen werde schon von klein auf beigebracht, die Fantasiefrauen auf dem Bildschirm zu bewundern und ihrem Vorbild nachzueifern, ist im Buch zu lesen. Dies führe dazu, dass viele von ihnen selbst Schauspielerinnen werden wollten. Die Glücklichen, die es schafften, könnten die Belästigungen oder knallharten körperlichen Standards nie wirklich beschreiben, das wäre ja Selbstsabotage.
Wie es Kantor und Twohey trotzdem schaffen, mit dem Willen mutiger Frauen und gegen den Widerstand von Weinsteins Entourage die Machenschaften ans Licht zu bringen, ist hier detailliert protokolliert wie in einem Drehbuch und ein ebenso spannender Krimi wie die Watergate-Affäre. Doch der Film wird garantiert nicht von Weinstein produziert – dafür spielt er darin die Hauptrolle.
Jodi Kantor/Megan Twohey, «#Me Too – von der ersten Enthüllung zur globalen Bewegung», Tropen