Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Frauen prägten Lennons Leben

«Die Brille war wie eine Mauer, ein Schutzschild», sagt Paul McCartney (78) über John Lennons Markenzeichen, seine runde Grossmutterbrille. In diesem Buch erfährt man, wie zufällig er zu ihr kam.
Publiziert: 08.12.2020 um 08:17 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2020 um 12:22 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Es ist das erste Mal, dass ich um jemanden richtig trauere: Von Todesnachrichten bis dato weitgehend verschont, setzt mir am 8. Dezember 1980 die Meldung von der Ermordung John Lennons mächtig zu. Obwohl ich als Linkshänder McCartney zuneigte und die Gitarre wie Paul haltend zum Sound der Beatles Popstar spielte, wusste ich schon: Lennon ist der Kopf der Band. Und so bastle ich mir in jenem Dezember mit Johns Porträt einen Trauerpin und hefte ihn an die Jacke.

«Wo waren Sie, als Sie es erfahren haben?», fragt die britische Musikjournalistin Lesley-Ann Jones (62) in ihrer Lennon-Biografie, die nun zum 40. Todestag erschien. Denn der gewaltsame Tod Lennons (†40) ist eine historische Wegmarke wie der von JFK (†46) oder Lady Di (†36). Und Jones – Jugendfreundin von David Bowie – nimmt diesen traurigen Jahrestag zum Anlass, mit bisher unbekannten Details den launischen, cleveren und schlagfertigen Lennon neu zu vermessen. So viel vorneweg: Er bleibt einer der Grössten.

Julia, Mona, Alma, Yoko, Kyoko, May: Viele Kapitel im gewichtigen Buch von Lesley-Ann Jones sind mit Frauennamen betitelt. Kein Zufall, denn die versierte Musikbiografin von David Bowie, Freddie Mercury und Kylie Minogue erzählt Lennons Leben mit Fokus auf Mutter und Tante oder aus Sicht von Stieftochter und Ehefrau. So sprach Jones für dieses langjährige Projekt ausgiebig mit Cynthia Powell (1939–2015), der ersten Gattin von Lennon und Mutter des gemeinsamen Sohns Julian (57).

«Der Tod seiner Mutter (Julia) hat sich sehr tief greifend und beschädigend auf Johns Psyche ausgewirkt», sagt Cynthia im Buch. «Er war siebzehn Jahre alt, und ich glaube nicht, dass er sich je davon erholt hat.» Danach sei er nicht mehr fähig gewesen, normale Beziehungen zu Frauen aufzubauen. 1968 lassen sich Cynthia und John Lennon scheiden. 1969 heiratet er die Japanerin Yoko Ono (heute 87), die er gerne «Mother» nannte.

Frauen prägen Lennons Leben auch anderweitig. Stilistisch ist Mona Best (1924–1988) unfreiwillig wegweisend: Die Besitzerin des Liverpooler Casbah Coffee Club und Mutter des ersten Beatles-Schlagzeugers Pete Best (heute 79) schlägt Lennon 1959 nach einem Konzert auf den Hinterkopf, weil er seinen Namen auf eine Clubwand gekritzelt hat. Lennons Brille fällt daraufhin zu Boden, zerbricht, sodass er im darauffolgenden Monat die kleinen, runden Gläser von Pete Bests Grossmutter tragen muss. Die Nickelbrille bestimmt von nun an Lennons Image.

Kyoko Chan Cox (57), die Tochter aus Yoko Onos erster Ehe, sorgt dafür, dass Lennon 1971 die britische Insel für immer verlässt und fortan in New York lebt. Denn nach Onos Scheidung von ihrem ersten Mann spricht ihr ein Richter das Sorgerecht für Kyoko zu. Bedingung: Die damals Siebenjährige muss in den USA aufwachsen. Also zieht Lennon zu Frau und Stieftochter – ins Land seines späteren Mörders Mark Chapman (65). Ironie des Schicksals: Lennon sieht Kyoko nie mehr, da Onos Ex das Kind entführt. Mutter und Tochter finden sich erst nach Lennons Tod wieder.

Lesley-Ann Jones, «John Lennon – Genie und Rebell», Piper

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