Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Der Würfel hat gefallen – und gefällt noch immer

Curiosity Killed the Cat (Neugierde tötete die Katze) hiess eine britische Funk-Popband der 1980er-Jahre. Doch in den gleichen Jahren brachte die Neugierde des Ungarn Ernö Rubik eine Welthit hervor – in «Cubed» erzählt er erstmals selber davon.
Publiziert: 12.09.2020 um 14:27 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2020 um 17:11 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Alle drehten in meiner Jugend an einem dieser bunten Würfel herum. Auch ich versuchte mich daran – und drehte fast durch: Habe ich die blaue Seite auf die Reihe gebracht, muss ich sie wieder zerteilen, damit die grüne auch einfarbig daherkommt. Aber mit welchem Dreh bringe ich diesen verflixten orangen Stein weg? Oh nein, nun ist die gelbe Seite ein Flickenteppich! Rubik’s Cube braucht Nerven.

«Jedes Mal, wenn ich einen der Steine in die richtige Ordnung brachte, zerstörte ich die Ordnung aller anderen», schreibt selbst der Würfelerfinder Ernö Rubik (76) in seinem demnächst erscheinenden Buch. Der ungarische Architekt und Designer an der Hochschule für Industrielle Kunst in Budapest bezeichnet das als eine grundlegende Erfahrung: «Etwas aufzubauen, beginnt oft damit, dass man etwas anderes zerstört.»

Am 13. Juli 1944 kommt Ernö in der ungarischen Hauptstadt zur Welt und wächst dort auf, während sein Heimatort in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs bei der «Schlacht um Budapest» teilweise einstürzt. Sein Vater ist ein berühmter Designer, der mit seinem Segelflugzeug Rubik R-26 Góbé Anfang der 60er-Jahre weit über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt. «Mit meinem Vater teile ich einen gewissen Perfektionismus», schreibt Rubik.

Bescheiden gibt sich der Zauberwürfelerfinder dennoch, gebärdet sich keineswegs als Genie. «Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich in irgendetwas Profi geworden bin», so Rubik. «Ich bin und bleibe in allem, was ich in Angriff nehme, ein Amateur.» Aber Amateur bedeutet Liebhaber. Und liebenswert kommt er in seinem ersten Buch daher, auch wenn er von sich behauptet, er könne nicht schreiben.

Lesenswert ist «Cubed» allemal, zumal man erstmals einen direkten Einblick hat in die Entwicklung des Zauberwürfels: «Im Frühjahr 1974, kurz vor meinem 30. Geburtstag, ähnelte mein Zimmer der Hosentasche eines Kindes, die voller Murmeln und sonstiger Schätze steckt.» Rubik ist ein verspielter Mensch, der von Neugierde getrieben ist: «Neugier bedeutet, dass wir nichts als gegeben akzeptieren, dass wir die Grundprinzipien immer wieder in Frage stellen.»

«Büvös kocka», der magische Würfel, kommt 1977 in die Spielwarenläden Budapests, Anfang der 80er-Jahre erobert er als Rubik’s Cube die ganze Welt: Das Spielzeug soll bis heute durch die Hände von über einer Milliarde Menschen gegangen sein. Und sie jagen Rekorde: Sie halten die Luft an, springen mit dem Fallschirm, jonglieren, lassen sich die Augen verbinden oder machen einen Kopfstand – und lösen gleichzeitig den Cube. Den aktuellen Geschwindigkeitsrekord unter normalen Bedingungen stellte ein Chinese 2018 auf: 3,47 Sekunden!

Ernö Rubik, «Cubed – der Zauberwürfel und die grossen Rätsel dieser Welt», C. H. Beck; erscheint am 17. September.

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