Ich bin gerne erwachsen geworden. Nicht weil ich eine bedrückende Kindheit hatte – ganz im Gegenteil, die war sehr unbeschwert. Aber ich stellte mir damals das Erwachsenenleben befreiter und selbstbestimmter vor – und das ist es auch weitgehend. Allerdings sah ich später, wie meine Eltern mit den Jahren ihre Selbständigkeit mehr und mehr verloren und am Schluss hilfsbedürftig waren. Es scheint, als würde der Mensch gegen das Ende seines Lebens wieder zum Kind.
«Jungbleiben ist auch keine Lösung» heisst der erfrischende Titel vom eben erschienenen «Buch übers Älterwerden». Verfasst haben es die ehemalige Journalistin und Städtebau-Beraterin Andrea Schafroth (53) und der Psychoanalytiker und Kolumnist Peter Schneider (63). Vor zehn Jahren veröffentlichten die beiden Schweizer gemeinsam das Erziehungsbuch «Cool down». Schon damals wählten sie die Dialogform, um das Thema zu umkreisen.
Gleichsam wie an einem Bühnenrand sitzt man so vor dem neuen Buch und schaut, was da gegeben wird. Eine Tragödie? Eine Komödie? Oder bloss eine Podiums-Diskussion? Für ein Drama fehlt es leider an Struktur. Es fällt einem am Schluss auch schwer, ein Fazit zu ziehen. Aber wie schreiben die beiden bereits im Vorwort über ihre Vorarbeit zum Thema Alter: «Wir sind dabei nicht auf ewige Wahr- und Weisheiten gestossen und formulieren auch keine tiefsinnigen Aphorismen – höchstens unfreiwillig.»
Gleichwohl bietet «Jungbleiben ist auch keine Lösung» vergnüglichen und anregenden Lesestoff. Das hat einerseits damit zu tun, dass Schafroth und Schneider ernsthaft und ehrlich beim Thema bleiben und nicht rumkalauern, andererseits damit, dass das Buch kurz getaktet ist und sich niemand in lange Monologe ergiesst. Interessanterweise schält sich aus dem Dialog keine weibliche oder männliche Sicht aufs Alter heraus – unserem allmählichen Verfall ist das Geschlecht offenbar egal, er trifft alle gleich.
«Altern kann man mit zwei unterschiedlichen Modellen beschreiben», sagt Schneider, «einem Zuwachs- und einem Verlustmodell.» Für Kinder sei das Älterwerden ein Zuwachs: Sie können laufend etwas besser als zuvor. «Der Übergang zum Verlustmodell des Alters kann zuweilen sehr früh beginnen», so Schneider weiter. «Mit dem Bedauern, dass man dieses oder jenes verpasst hat.» Und Schafroth zitiert die «Frankfurter Rundschau» («Altern beginnt mit 20»), ein Fachmagazin («Ab 27 ist man alt!») und den «Stern» («Ab 30 geht es bergab»).
Der Abstieg beginnt also früh, was Schafroth zur treffenden Aussage über Geburtstage führt: «Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir jedes Jahr feiern, um das wir älter werden, obwohl uns vor dem Älterwerden graut.»
Andrea Schafroth/Peter Schneider, «Jungbleiben ist auch keine Lösung – ein Buch übers Älterwerden», Zytglogge