Weltanschauung mit Giuseppe Gracia
Du sollst dich nicht vergleichen

Dauernd vergleichen wir uns mit andern, dank Facebook, Instagram und Snapchat mehr denn je. Auf diesem Jahrmarkt der Entwürdigung geht verloren, dass jeder Mensch einzigartig und unvergleichlich ist.
Publiziert: 05.08.2018 um 21:48 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:54 Uhr
Der Churer Bischofssprecher Giuseppe Gracia verlässt das Bistum nach zehn Jahren Medienarbeit per sofort.
Giuseppe GraciaKolumnist

Wir haben die Angewohnheit, uns mit anderen zu vergleichen. Am liebsten mit Leuten, die glücklicher und lebensfroher wirken, als wir uns selber empfinden, und die natürlich mehr Geld haben und mit attraktiveren Partnern aufwarten. Solche Vergleiche sind für meine Tante Angela-Maria eine Sünde, die wie jede Sünde zu immer neuen Sünden führt, von Neid über Gier bis hin zu Eifersucht und Totschlag.

Auch der dänische Schriftsteller Sören Kierkegaard (1813–1855) warnte: «Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.» Kierkegaard lebte allerdings in einer Zeit ohne Facebook, Instagram und Snapchat. Es war für ihn einfacher, sich gegen die Seuche des Vergleichens zu wappnen.

Jeder ist ein Original

Heute ist diese Seuche nur einen Klick entfernt, rund um die Uhr, weltweit. Schaffe ich mehr Likes und Follower? Poste ich das schönere Leben mit dem grösseren digitalen Applaus? Das Dasein im Internet-Schaufenster schraubt die Erwartungen in ungekannte Höhen. Wenn nicht die Bühne einer Topkarriere, dann will ich wenigstens tolle Abenteuer, einen tollen Body mit vielen authentischen Emotionen. Und natürlich den coolsten Job. Bis keine real vorhandene Arbeit mehr mithalten kann, so wenig wie ein real existierender Lebenspartner.

Dabei ist jeder Mensch von Geburt ein Original, einmalig und unvergleichlich. Jeder Mensch hat eine Würde, ganz unabhängig von der Gesellschaft und den Idealen der gerade herrschenden Kultur. Jeder ist wertvoll ohne den Applaus der Aussenwelt.

Verhängnisvolle Vergleichitis

So gesehen verbreitet das Internet-Schaufenster nicht nur eine verhängnisvolle Vergleichitis, sondern sie schwächt das Bewusstsein für die Menschenwürde. Natürlich stimmt es, dass die sozialen Medien, wie jede Technologie, den Menschen dienlich sein und das Leben besser machen können. Noch nie in der Geschichte konnten wir unabhängig von Zeit und Ort miteinander so schnell in Verbindung treten – eine schöne Sache. Sie darf aber nicht zum Jahrmarkt der Entwürdigung werden. Wir müssen darauf achten, dass der Philosoph Johann Caspar Schmidt (1806–1856) am Ende nicht recht behält mit dem Satz: «Jeder Mensch wird als Original geboren, aber die meisten sterben als Kopie.»

Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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