Lieber Herr Aeschbacher, weil das Schweizer Fernsehen sparen muss, wird Ihre Sendung nach 17 Jahren eingestellt. Das finde ich schade. Am TV-Schirm geht es nur selten um reale Menschen, die eine Begegnung mit authentischen Geschichten ermöglichen. Ich meine Menschen ohne aufgesetztes Marketing-Ich und ohne vorbereitete Statements. Menschen, die sich immer wieder auf die wohlwollende Neugier und Herzlichkeit des Moderators haben verlassen können – also auf Sie, Herr Aeschbacher.
Kein Ersatz für ein solches Format
Es scheint mir typisch für unsere Zeit, dass eine Sendung wie die Ihre gestrichen wird. Natürlich ist das Format in die Jahre gekommen, natürlich gab es in der Sendung auch Oberflächliches und Langweiliges. Bei einer Laufzeit von 17 Jahren ist das nicht zu verhindern. Aber ich gehe davon aus, dass SRF keinen Ersatz für ein solches Format sucht, sondern dass es keine Sendung mehr geben wird, die den Alltagsmenschen und seine Lebenserfahrung ins Zentrum rückt. Dafür bekommen wir eine Menge Promi-Plattformen. Wir bekommen News- und Politsendungen, die sich um Parteien und Machtkämpfe drehen, was es in einer lebendigen Demokratie ja braucht. Und vielleicht braucht es zur Unterhaltung neben Sport und Musik auch die unzähligen Dating-, Superstar- und Selbstverwirklichungs-Sendungen. Vielleicht sogar die narzisstischen Heruntermach-Sendungen, die uns gar nicht zeigen wollen, was für ein Mensch der Gast ist, sondern nur, was der Moderator vom Gast hält – und ob es der Moderator schafft, den Gast in seine vorgefertigten Denkschubladen zu quetschen. Keine Horizonterweiterung durch Begegnung – kein echtes Gespräch ohne den Filter politischer Interessen.
Das besondere im Alltäglichen erkennen
Da war «Aeschbacher» ein gutes Gegenprogramm. Es wurden Menschen um ihrer selbst willen ins Studio eingeladen. Menschen wie du und ich, zu denen wir als Zuschauer eine Verbindung aufbauen konnten, denn die Moderation hat dafür gesorgt, dass wir uns für das Leben dieser Menschen interessiert haben. Wir konnten das Besondere im Alltäglichen erkennen, so wie aus dem Alltag immer etwas Besonderes werden kann, wenn man den Menschen genug Aufmerksamkeit schenkt. Diese Aufmerksamkeit ist im Fernsehen eine Seltenheit, deshalb: Hut ab, Kurt Aeschbacher, und danke schön!
Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.