Fairerweise müsste die Frage lauten: «Warum sind so viele Menschen so kindisch?» Frauen haben in diesem Punkt keine Monopolstellung, wie ein Blick in die Tagespresse zeigt. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Unreife, und die ist der Sozialisierung geschuldet, also der Art, wie Kinder betrachtet und behandelt werden: Wie spricht man zu Mädchen? Was lobt man? Was nicht? Wann ist ein Mädchen lieb und anständig? Wann nicht? Auch wenn wir es für überholt und falsch halten, und zwar zu Recht, gilt ein männlicher Jugendlicher, der seine Gefühle zeigt, noch immer als unmännlich, während eine junge Frau, die ihre Meinung sagt, bald als unbequem und aufmüpfig gilt.
«Wir sollten uns gut überlegen, was wir unseren Töchtern sagen»
Man lehnt sich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass Frauen zu einer gewissen Kindlichkeit geradezu erzogen werden. Sie werden für das Mädchenhafte gelobt, also für das Hübsche, Unschuldige, Niedliche, während man ihnen immer wieder zu verstehen gibt, dass Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit etwas ist, an dem sich nur Huren und Hexen versuchen. Kein Wunder, bleiben viele von ihnen auf einer Teenager-Entwicklungsstufe stehen – es ist der Platz, den wir ihnen zuweisen und auf dem sie sich sicher fühlen.
Die attraktiven unter ihnen sind es ausserdem gewohnt, dass ihnen ohnehin ständig von allen Seiten die Welt zu Füssen gelegt wird. Sie kennen keine Widerrede und keine Kritik, und wenn sie dann doch mal erfolgt, empfinden sie es als Majestätsbeleidigung – und reagieren wie ein Kind mit Wut und Tränen darauf. Das ist mühsam und ärgerlich, aber eben die Folge von jahrzehntelangem «Du bist aber herzig!». Wir sollten uns gut überlegen, was wir unseren Töchtern sagen. Wir prägen damit ihr Leben. Und das all jener, die mit ihnen zu tun haben werden.