Ein Gutes hat dieser Krieg ja: Er demonstriert all den Clowns, die während der Pandemie mit deplatzierten Begriffen um sich geworfen haben, was «Faschismus» und «Diktatur» wirklich bedeuten. Aber vermutlich sehen sie ihre Denkfehler nicht ein, sondern nehmen einfach die nächste falsche mentale Abzweigung. Ihr Bruder ist leider ein gutes Beispiel dafür.
Mit Ihrem abschliessenden Satz – «Er ist mein Bruder» – haben Sie Ihr Dilemma flehentlich zum Ausdruck gebracht: Wären Sie nicht mit diesem Mann verwandt, hätten Sie sich wohl schon von ihm losgesagt, als er die Massnahmen für den Infektionsschutz mit Staatsterror gleichsetzte. Spätestens jetzt aber, nach seinem jüngsten geistreichen Kommentar, wissen Sie, wo er steht – und wie gross dadurch die Kluft zwischen Ihnen ist. Das schmerzt besonders bei jenen, die man liebt.
Allerdings ist Ihr Bruder nur Ihr Bruder. Es gibt zwar den Wunsch, gut mit ihm auszukommen, vor allem angesichts dessen, dass das bisher so gewesen ist, aber keine Notwendigkeit und schon gar keine Pflicht. Man muss jemandem, der sich von Vernunft, Moral und Respekt entfernt, nun wirklich nicht hinterherlaufen.
Ein paar Schritte aber vielleicht doch. Denn wenn einer solchen Unsinn verbreitet, ist das ja nicht das Ergebnis einer rationalen Analyse der Weltlage, sondern eine auf diese gerichtete Projektion des Innenlebens. Ein ganzes Volk als korrupt abzustempeln und ihm jegliche Hilfe zu verweigern, ist ebenso hartherzig wie engstirnig und somit eine ziemlich alarmierende Aussage über sich selbst.
Fragen Sie Ihren Bruder doch mal nach dessen Befinden. Offenbar hatten Sie ja jahrzehntelang eine gute Basis – aber vielleicht auch eine etwas oberflächliche? Sein Ausbruch wäre ein guter Anlass, einander auf neue Weise näherzukommen.