Christopher Clark nennt sie «Die Schlafwandler». In seinem gleichnamigen Buch schildert der Historiker den Ausbruch des Ersten Weltkriegs als höchsten Ausdruck der Inkompetenz. Als Resultat von Missverständnissen, Fehleinschätzungen und einer absurden Eigendynamik.
Wie könnte man nicht an die Schlafwandler denken, sieht man sich die aktuelle Krise zwischen den USA und dem Iran an?
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. beispielsweise war ein Prahlhans mit Fimmel für alles Militärische. Einer, der sich mit Kriegstreibern umgab und am Ende dumm aus seiner Operettenuniform glotzte, als aus dem Maulheldentum blutiger Ernst wurde.
Seine Personenbeschreibung trifft auch auf Donald Trump zu. Die «Washington Post» berichtete dieser Tage, wie den US-Präsidenten plötzlich pure Panik packte. Trump fürchte sich vor einem Krieg am Persischen Golf. Dies, nachdem er zuvor keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Öl ins Feuer zu giessen.
Es begann damit, dass der Präsident im Frühjahr 2018 John Bolton zum nationalen Sicherheitsberater ernannte. Kurz darauf kündigten die USA das Atomabkommen mit dem Iran. Seither hat Washington immer neue Sanktionen gegen das Land verhängt.
Trumps Plan mag sein, das islamistische Regime weichzuklopfen und davon abzubringen, seinen Einfluss im Nahen Osten auszuweiten. John Boltons Plan ist das nicht. Der Mann trommelt seit Jahren unverhohlen zum Krieg. Zum 40. Jahrestag der Iranischen Revolution vor drei Monaten wandte er sich in einer Videobotschaft an den obersten Führer in Teheran: «Ayatollah Chamenei, ich glaube nicht, dass Sie noch viele Jahrestage geniessen werden.»
Im Iran wiederum haben die Scharfmacher und Ideologen natürlich erst recht das Sagen. Sollte es an der Spitze des selbst ernannten Gottesstaates jemals pragmatische Kräfte gegeben haben – die Entwicklung der letzten zwölf Monate hat diese Stimmen endgültig zum Verstummen gebracht.
Ohne begleitende Diplomatie droht die Situation vollends zu eskalieren. An dieser Stelle nun wird die Schweiz auf die Weltbühne gezerrt. In einer improvisierten Aktion reiste Bundespräsident Ueli Maurer am Donnerstag nach Washington.
Die Schweiz soll die Verhandlungskanäle zwischen Teheran und Washington offen halten. Das mag nach blossem Briefträgerdienst klingen. Tatsächlich jedoch kann es um eine historisch wichtige Rolle gehen. Die Geschichte zeigt ja, wohin Missverständnisse zwischen verfeindeten Staaten führen können.
Einer muss von der Bedeutung dieser Mission offenbar aber noch überzeugt werden: Bundespräsident Ueli Maurer selbst. Es ist weniger sein missglücktes Interview bei CNN, das zu denken geben muss. An Maurers Medienauftritten in den USA irritiert vielmehr die Beharrlichkeit, mit welcher der SVP-Magistrat betonte: der wichtigste Zweck seiner Reise sei ein mögliches Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten gewesen.
Für solche Missverständnisse und Fehleinschätzungen ist die Lage zu ernst.