Über unnötige Operationen
Achte sich, wer zusatzversichert ist!

Aus Sicht der Patientinnen und Patienten sorgen Zusatzversicherungen für mehr Komfort in schlechten Zeiten. Aus Sicht der Spitäler sind die Zusatzversicherten eine sprudelnde Einnahmequelle.
Publiziert: 26.06.2023 um 09:01 Uhr
Arztvisite im Spital: Prüfe, wer sich zusätzlich bindet – besonders bei den Krankenkassen gilt das.
Foto: imago/allOver-MEV
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Stefan MeierhansPreisüberwacher

Was der Zusatz-Komfort – also die Mehrleistung dieser Versicherungen – eigentlich ist? Stand heute ist das nirgends abschliessend und einheitlich definiert. Deshalb mache ich mich seit Jahren für eine verbindliche Konkretisierung stark.

Auch die Finanzmarktaufsicht Finma, als zuständige Aufsichtsbehörde für Versicherungen, kam zum Schluss, dass die Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig intransparent sind und zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. Sie fordert deshalb gemeinsam mit mir die Behebung des Missstandes.

Die Finma erwartet von den Versicherern ein umfassendes Controlling: Versicherungen sollen nur Tarife vergüten, die sich mit den tatsächlichen Mehrkosten für Zusatzleistungen rechtfertigen lassen, z.B. einen besseren Zimmerkomfort gegenüber der Allgemeinabteilung.

Aber Achtung: Ein Teller mit Goldrand begründet allein keinesfalls eine doppelt so hohe Rechnung. Gegen die Umsetzung dieser simplen Forderungen wird in der Spital-Branche bisweilen heftig gedroht, geklagt und gewarnt: Vor Qualitätsverlusten, Mehrkosten zulasten der Grundversicherung, dem administrativen Aufwand für diese Massnahmen, der bis zur Schliessung mancher Spitäler führen könne. Ich kann das nicht nachvollziehen.

In meinen Augen ist zwingend, dass Vertragsparteien transparent regeln, was zu welchem Tarif abgerechnet werden kann. Und auch, dass die Qualität der erbrachten Dienstleistung am Schluss kontrolliert wird. Dass das bisher nicht geschieht, ist für die Prämienzahlerinnen und -zahler nichts anderes als ein sehr kostspieliges Versäumnis – das mithin sogar negative Folgen für ihre Gesundheit haben kann.

Kurzum: Achte sich, wer zusatzversichert ist! Der perfide Teil der Geschichte ist nämlich, dass zusatzversicherte Patientinnen und Patienten ein so lukratives Geschäft sind (vgl. meine Studie 2021), dass ihnen mitunter zu Eingriffen geraten wird, die medizinisch gar nicht nötig wären: In einer Studie des Bundesamts für Gesundheit 2016 steht zu lesen: «Besonders interessant scheinen Leistungen aus dem orthopädischen Bereich zu sein.»

So fand man heraus, dass die Halbprivat bzw. Privat-Zusatzversicherten in der Schweiz 2,2-mal häufiger am Knie und 1,5-mal häufiger an der Wirbelsäule operiert wurden. Hüftgelenke wurden 1,3-mal häufiger ersetzt. Eine diesjährige Studie der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau kommt gar zum Schluss: «An Patientinnen und Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung wird in der Schweiz mit höherer Wahrscheinlichkeit ein kardiologischer Eingriff vorgenommen als an Personen, die nur grundversichert sind.»

2022 schrieb die Handelszeitung über eine kleine, auf orthopädische Eingriffe spezialisierten Basler Klinik: «Dort stemmen die Zusatzversicherten zwei Drittel der Marge, obwohl nur ein Drittel der Behandlungen auf die privat und halbprivat Versicherten entfallen.»

Aber auch die ausschliesslich Grundversicherten können nicht aufatmen: Bei ihnen drohen Reflexschäden bei der Prämienrechnung! Weshalb? Weil unnötige Behandlungen an Zusatzversicherten (die gleichzeitig immer auch grundversichert sind) durch die Fallpauschalen der obligatorischen Grundversicherung mitfinanziert werden, verschärft dieser Fehlanreiz auch den finanziellen Druck auf die Grundversicherung und trägt so dazu bei, dass deren Prämien unnötig steigen.

Das sind beunruhigende Fakten, die mich zur Frage bringen: Sollen die Zusatzversicherten ewig (zu Unrecht) bluten, weil sich die Spitäler daran gewöhnt haben? Ich sage klar: Lieber ein Ende mit Schrecken (aus Sicht der Spitäler) als ein Schrecken ohne Ende (aus Sicht der Prämienzahler).

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