Das Lied «El Condor Pasa» des Musikerduos Simon & Garfunkel hat, was ein Hit braucht: eine eingängige Melodie, verpackt in Sehnsucht-triefende Watte, Ethnoklänge – Weltenflucht im Poncho. Der Song ist aber mehr als nur Anden-Kitsch. Er handelt von einem Thema dieser Tage: vom Widerspruch zwischen unserem Bedürfnis nach Mobilität und unserem Bedürfnis nach Natur. Die Freiheit der Vögel wird darin besungen und damit das Ausbrechen aus dem trägen Alltag:
«I’d rather be a sparrow than a snail.» – «Ich wäre lieber ein Spatz als eine Schnecke.»
Ein paar Zeilen weiter dann das Loblied auf Mutter Erde: «I’d rather be a forest than a street.» – «Ich wäre lieber ein Wald als eine Strasse.» Mit solcher Poesie schufen die beiden New Yorker eine Hymne der Ökobewegung – inklusive des Spagats. Denn seit die Platte vor bald 50 Jahren erschien, verpesteten Heerscharen von On-the-road-Hippies mit ihren VW-Bussen tüchtig die Luft, während sie dem Ideal der unberührten Natur huldigten. Motorisiertes Reisen geht nun mal immer auf Kosten der Umwelt.
Im selben Dilemma befinden wir uns heute: Wir fliegen für 180 Euro nach Palma und werfen neuseeländisches Lamm auf den Grill, sorgen uns aber um Gletscher und Eisbären. Auch die Tourismusbranche steckt im Widerspruch: Sie verkauft die Schweiz als unberührten Flecken im Alpenparadies. Der Ritt auf der grünen Welle hat jedoch einen Makel: Gäste aus Fernost, dem Orient und Amerika sollen unsere Hotels füllen, denen die europäischen Nachbarn fernbleiben.
Der staatlich finanzierte Verband Schweiz Tourismus befördert also die Vielfliegerei, damit alle Welt den Aletschgletscher bestaunen kann, bevor er wegen des Klimawandels verschwinden wird. Die Erderwärmung wiederum ist laut Forschern eine Folge des CO2-Ausstosses, an dem die Zivilluftfahrt einen stolzen Anteil hat.
Eine düstere Pointe, gewiss. Die grössere Strafe für
Simon & Garfunkel ist aber, dass die Melodie – die älter ist als der Hit von 1970 – heutzutage vor allem mit Panflöten in Unterführungen und Trams gespielt wird.
«Ich wäre lieber
ein Wald als eine
Strasse»Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen Reza Rafi