Professor Hengartner erklärt
Was Schweizer Forscher über Beben auf dem Mars herausgefunden haben

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft. Diese Woche: Weshalb der Mars fast wie die Schweiz ist.
Publiziert: 14.03.2020 um 18:57 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2020 um 11:36 Uhr
Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und neuer Kolumnist. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana
Michael Hengartner

Anders als viele wollte ich als Kind nie Astronaut werden. Ich liebe die Natur zu sehr, um mich freiwillig monatelang in eine Metallbüchse einzuschliessen. Aber sehnsüchtig nach dem All bin ich trotzdem, ein leidenschaftlicher Star-Trek-Fan ... Was es in unserer Galaxie wohl alles Wundervolle gibt! Ja, schon in unserer direkten Nachbarschaft gibt es faszinierende Himmelskörper. Beispielsweise den Mars.

Der Mars ist ein bisschen wie die Schweiz: Er ist ziemlich klein, hat aber hohe Berge. Vom Nord- zum Südpol ists nur halb so weit wie auf der Erde, der höchste Berg ist jedoch 22'000 Meter hoch! Auch auf dem Mars gibt es schneeweisse Gletscher, wobei diese nicht aus gefrorenem Wasser, sondern aus Trockeneis (festes CO2) bestehen.

Und gleich wie in Basel oder im Wallis gibt es auch dort manchmal Erdbeben, die dann aber logischerweise «Marsbeben» genannt werden. Diese werden seit kurzem von der Schweiz aus überwacht. Eine Nasa-Sonde brachte ein von der ETH Zürich entwickeltes Seismometer auf unseren Nachbarplaneten. Dieses registriert schon ganz leichte Erschütterungen und sendet seine Messdaten zurück zur Erde. Hier analysieren die Profis vom Schweizer Erdbebendienst, was auf dem Mars passiert.

Bereits heute wissen wir: Ein Marsbeben fühlt sich anders an als ein Erdbeben. Bei uns rumpelt es eher kurz und stossweise, auf dem Mars schwingen die Beben oft lange nach – manchmal bis zu 20 Minuten. Ausserdem entstehen die Beben anders. Denn anders als bei uns, wo sich tektonische Platten verschieben und dadurch Erdbeben auslösen, besteht der Mars nur aus einer einzigen tektonischen Platte. Wie Marsbeben entstehen, müssen die Forscherinnen und Forscher also erst noch herausfinden.

Aber nicht nur das: Sie wollen auch untersuchen, wie der Mars überhaupt aufgebaut ist. Denn die Beben funktionieren wie ein riesiges Röntgengerät. Röntgenstrahlen kennen wir alle: Sie gehen problemlos durch unsere Muskeln, werden aber von den Knochen aufgehalten. Ähnlich ist es bei Beben: Je nach Gesteinsart werden die Wellen durchgelassen oder abgelenkt.

Hat der Mars einen flüssigen oder einen festen Kern? Und in welcher Tiefe ist welches Material? Die Marsbeben müssten es zeigen. Bis jetzt haben wir eher kleine Beben beobachtet, konnten aber bereits die meisten der rund 2000 Theorien zum Aufbau des Mars verwerfen. Richtig spannend wird es, wenn ein grosser Komet den Mars trifft oder ein Vulkan ausbrechen würde. Dann gibt es Erschütterungen, die uns noch sehr viel mehr über das Innere des Mars zeigen werden.

Dass ausgerechnet in der Schweiz über Marsbeben geforscht wird, ist ein Kompliment an unsere exzellente Erdbebenforschung. Als sich die Schweizer für die Aufgabe bewarben, schrieben sie: «Wir werden alles genau so machen wie auf der Erde.» Das hat die Nasa überzeugt.

Ach, übrigens: Die Nasa-Marsbeben-Mission ist komplett unbemannt. Astronaut oder Astronautin ist heute oftmals ein Bürojob. Das ist zwar nicht ganz so abenteuerlich, dafür kann man abends zurück in den Garten und zur Familie.

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