Professor Hengartner erklärt
Deshalb schadet die Begrenzungsinitiative der Forschung

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft. Diese Woche: Weshalb die Begrenzungsinitiative der Forschung schadet.
Publiziert: 29.02.2020 um 10:25 Uhr
|
Aktualisiert: 12.08.2020 um 16:38 Uhr
Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und neuer Kolumnist. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana
Michael Hengartner

Wir stimmen am 17. Mai über die Begrenzungsinitiative ab. Nicht nur der Bundesrat, auch die Schweizer Hochschulen lehnen die Initiative ab. Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens wird mit der Initiative der freie Personenverkehr abgeschafft. Dieser ist aber für unsere Hochschulen sehr wichtig. Um international zur Spitze zu gehören, brauchen wir die besten Forschenden. Sie sind es, die an neuen Ideen tüfteln, wie man aus Licht und Luft Benzin macht, wie Querschnittgelähmte wieder gehen können oder wie man das Internet sicherer macht. Der zweite Grund, die Initiative abzulehnen, liegt im Forschungsabkommen mit der EU. Dieses würde nach Annahme der Initiative wegfallen, wie andere bewährte bilaterale Verträge mit der EU. Die Folgen eines Abseitsstehens wären erheblich für den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz. Viel Know-how, ein unersetzliches internationales Netzwerk und der Wettbewerb mit den Besten der Welt würden uns verloren gehen.

Ich selbst habe sehr von der Offenheit der Schweiz profitiert. Mein Vater ist in der Schweiz aufgewachsen. Nach einem Studium an der ETH Zürich ist er nach Kanada ausgewandert, wo er Mathe-Professor wurde. 35 Jahre später schlug ich den Weg in die Gegenrichtung ein und wanderte zurück als Professor an die Uni Zürich. Wir haben beide viel gelernt im Ausland. Und wir sind nicht die Einzigen. Dazu zwei interessante Fakten. Zum einen ist die Schweiz das Land mit dem grössten Anteil an ausländischen Forscherinnen und Forschern. Mehr als die Hälfte der Leute, die hier forschen, haben keinen Schweizer Pass. Zum anderen sind wir aber auch das Land mit dem zweithöchsten Anteil an Wissenschaftlern, die, zumindest temporär, auswandern. Ein Drittel der Schweizer Forscherinnen und Forscher forscht im Ausland.

Diese Offenheit, diese Mobilität der klugen Köpfe, dieser Austausch von Ideen und von Wissen – sie sind das, was unser Land so erfolgreich macht. Unsere jungen Forschenden profitieren von ihren Auslandserfahrungen. Und die Schweiz profitiert, wenn sie talentierte Ausländer willkommen heisst. Heinrich Nestlé war Deutscher, Nicolas Hayek, der Gründer von Swatch, kam aus dem Libanon. Das ist in anderen Ländern wie in den USA nicht anders. Elon Musk, der Gründer von Tesla, ist Südafrikaner, Google-Gründer Sergej Brin ist Russe.

Mir ist wichtig, dass die besten Ideen und die besten Firmen in der Schweiz entstehen. Darum bin ich für Offenheit und Freiheit. Dies war schon immer eine Stärke der Schweiz. Was eine Annahme der Begrenzungsinitiative bedeuten würde, erlebten wir bereits 2014. Mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wurde die Schweiz über ein Jahr aus den EU-Forschungsprogrammen ausgeschlossen. Die Schweiz war in der Folge an deutlich weniger Projekten beteiligt, weniger attraktiv für junge Forschende. Der Schaden für die Schweizer Wissenschaft war sehr gross. Lassen wir das nicht noch mal geschehen!

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?