Es sieht ganz so aus, als hätten Sie hier ein paar Trennlinien – oder wohl besser: Trennungslinien – noch nicht komplett gezogen. Solange Sie Skrupel hegen, weil Sie Gefühle für eine andere Frau entwickelt haben, ist Ihre alte Beziehung nicht abgeschlossen, und dann sind Sie für eine neue nur halb offen. Die Frage ist nun: Warum haben Sie ein schlechtes Gewissen?
Gibt es in Ihnen eine Stimme, die Sie einen Versager nennt, weil Ihre letzte Beziehung zerbrochen ist? Und ist ein Mann, der sich von der Mutter seiner Kinder trennt, in Ihren Augen ein Charakterlump? Das sind zumindest die gängigen gesellschaftlichen Glaubenssätze, und diese übernimmt man insofern, als sie die moralische Realität bilden, die einen umgibt – auch wenn man sie persönlich für das hält, was sie sind, nämlich ausgemachter Unsinn. Vielleicht gibt es aber auch irgendwo einen kleinen Teufel in Ihrem Kopf, der Ihnen einredet, Sie hätten kein Glück verdient, weil Sie nichts wert seien.
Setzen Sie sich also hin und horchen Sie genau in sich hinein. Vielleicht hilft Ihnen auch eine Fachperson dabei, aber Sie sollten auf jeden Fall herausfinden, warum Sie vor der Ehrlichkeit zurückschrecken. Sie haben sich neu verliebt, und wenn Sie das nun als Problem wahrnehmen, hatten Sie vorher schon eines, und zwar mit sich selbst. Natürlich ist es immer möglich, dass aus einer neuen Bekanntschaft nichts wird.
Der Wunsch, Ihrer Ex gegenüber offen zu sein, sollte aber kein manipulatives Instrument sein, um Klarheit zu finden bezüglich der anderen Frau, sondern Ihnen selbst gelten. Sie sollten, ob sie nun Ihre neue Freundin wird oder nicht, sich freuen und dazu stehen. Wie auch dazu, dass Sie nicht mehr mit Ihrer Ex zusammen sein wollten. Man muss grundsätzlich zu dem stehen, was in einem ist. Alles andere ist Heuchelei.