M. Prix Stefan Meierhans kämpft für Konsumenten
Eine Goldgrube für die Spitäler

Können Sie aufzählen, was Sie als Halbprivat- oder Privatversicherte mehr erhalten als Grundversicherte? Rechtfertigen die Mehrleistungen den Mehrpreis? Hier brauche es Antworten, sagt der Preisüberwacher.
Publiziert: 07.09.2020 um 16:54 Uhr
Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Foto: Keystone
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Die privaten oder halbprivaten Zusatzversicherungen sind eine recht beliebte Vorsorge für den Fall, dass man ins Spital muss. Man erwirbt das Anrecht auf ein Ein- oder Zweitbettzimmer. Man wird auf Wunsch vom Chefarzt persönlich behandelt. Und auch sonst und vieles mehr. Das ist wahrscheinlich das, was den meisten von uns zum Thema einfällt.

Zwei Fragen also: Was ist «und vieles mehr»? Und stehen die Mehrkosten, die das Spital zulasten der Versicherung abrechnet, im Verhältnis zu den Mehrleistungen? Die erste Frage ist schnell beantwortet: Die Mehrleistungen, die die zusatzversicherten Patienten erhalten, sind nirgends definiert. Mal ist es ein Blumenstrauss am Bett, mal eine grössere Menü-Auswahl oder ein Schoggiherz auf dem Kopfkissen.

Für die zweite Frage muss ich etwas ausholen: Seit 2012 haben wir für Spitalaufenthalte leistungsbezogene Fallpauschalen. Diese decken bereits die allermeisten Leistungen des Spitals – die medizinische Versorgung, Operationen, die Pflege und natürlich auch die Hotellerie. Sie werden auch bei den Zusatzversicherten von der Grundversicherung bezahlt. Sie sehen: Es gibt nicht viel Raum für Mehrleistungen. Trotzdem verrechnen einige Spitäler den Zusatzversicherern ein Mehrfaches der eigentlichen Fallpauschale. Wie kann das sein? Doppeltverrechnungen sind die wahrscheinlichste Antwort. Es werden also Leistungen, die durch die Grundversicherung schon gezahlt sind, nochmals bei der Zusatzversicherung abgerechnet.

Zusatzversicherte sind demnach äusserst gern gesehene «Gäste» eines Spitals, denen – mit besten Grüssen von der betriebswirtschaftlichen Leitung – der rote Teppich ausgerollt wird. Ist leider nicht so toll, wie es klingt. Denn roter Teppich heisst zum Beispiel, dass Privat­patienten im Vergleich zu Grund­versicherten mehr als doppelt so oft am Knie operiert werden. An der Wirbelsäule sind es bei den Zusatzver­sicherten 1,5-mal so viele operative Eingriffe, und Hüftgelenke werden 1,3-mal so häufig ersetzt. Experten schätzen insgesamt, dass rund 20 bis 30 Prozent der durchgeführten Eingriffe unnötig sind (die Zahlen stammen aus einer BAG-Studie von 2016). Da nicht davon auszugehen ist, dass der Zustand des Bewegungsapparats von der Art der Versicherung abhängt, haben wir hier wohl ein Problem.

Dass es Probleme im Bereich der Zusatzversicherungen gibt, ist schon länger bekannt. Eine Expertengruppe hat den Bundesrat bereits 2017 darauf aufmerksam gemacht. Um insbesondere die Grundversicherung nicht weiter unnötig zu belasten – denn sie zahlt ja einen Grossteil der meisten Spitalaufenthalte –, muss dieser Teil des Gesundheitswesens ausgeleuchtet und besser reguliert werden. Ich stehe parat.

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