Keine Frage: Seit der Abwahl von Donald Trump kann man sich eine bessere Zukunft zumindest vorstellen. Zugleich muss man aber auch zurückschauen. Man muss sich die Frage stellen, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass der Hetzer aus New York 2016 zum US-Präsidenten aufsteigen konnte und vier Jahre später mit über 70 Millionen Stimmen beinahe im Amt bestätigt wurde.
Ein sehr plausibler Erklärungsansatz lautet: Die Ära Trump war nicht zuletzt eine Folge der Finanzkrise von 2008. Der deutsche Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick hat gezeigt, wie schwere Konjunktureinbrüche in der Geschichte stets zu Vertrauenskrisen führten – und dass insbesondere nationalistische Parteien daraus über Jahre Profit zu schlagen vermochten.
Der Crash von 2008 brachte denn nicht nur Trump hervor. 2010 wurde Viktor Orban ungarischer Regierungschef, 2011 erhielt der französische Front National dreimal mehr Stimmen als bei den vorangegangenen Wahlen. Die Krise führte zur Gründung der AfD in Deutschland und zum Brexit.
In der Schweiz schwang das Pendel 2014 weit nach rechts, als eine Mehrheit Ja sagte zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP.
Allerdings war die jüngste Finanzkrise kein Naturereignis. Sie war die Folge einer über Jahrzehnte betriebenen Politik der totalen Marktgläubigkeit. In den 1980ern predigte der Republikaner Ronald Reagan Eigenverantwortung und Sozialabbau. Er fing an, die Finanzmärkte zu deregulieren und fand damit Nachahmer in Europa ebenso wie unter späteren US-Präsidenten.
Es war Bill Clinton, der bei seiner Amtseinführung 1993 sagte: «Wir müssen mehr Chancen für alle bieten und von allen mehr Verantwortung fordern! Es ist Zeit, mit der schlechten Gewohnheit zu brechen, etwas ohne Gegenleistung zu erwarten, von unserer Regierung und voneinander.»
Es war Bill Clinton, der die amerikanischen Banken von den letzten verbliebenen Einschränkungen befreite, die ihnen nach dem historischen Börsenkrach von 1929 auferlegt worden waren.
Und es war Bill Clinton, der mit seiner Gesetzgebung exorbitante Bonuszahlungen für Manager ermöglichte.
Clintons demokratischer Parteifreund Joe Biden hat dem allem nicht einfach nur zugestimmt. Senator Biden war ein Mann der Finanzindustrie und Steueroptimierer. 36 Jahre lang vertrat er in Washington die Interessen von Delaware, also jenem Bundesstaat, dessen Steuerrecht derart lasch ist, dass im Vergleich dazu selbst der Kanton Zug wie eine Fiskalwüste wirkt.
Ja, der reich geborene Immobilienhai Donald Trump war als Vertreter der kleinen Leute ein schlechter Witz. Und ja, was Joe Biden im Augenblick verspricht, klingt verheissungsvoll. Aber ist der Politik-Routinier aus Delaware tatsächlich der Mann, der in den USA mit Nachdruck für mehr sozialen Ausgleich und nachhaltiges Wirtschaften sorgen wird?
Wir dürfen gespannt sein. Und hoffen, dass die Zeit, während der sich Biden auf den Einzug ins Weisse Haus vorbereitet, nicht schon die beste seiner ganzen Präsidentschaft gewesen sein wird.