Es ist bekanntlich in Mode, nicht auf die Wissenschaft zu hören. Selbst die Glaubwürdigkeit der seriösesten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird in diesen Tagen angezweifelt. Wir wollen aber hier nicht über Corona sprechen, sondern über Marienkäfer.
In unseren Breitengraden gelten die «Himugüegeli» als Glücksbringer. Doch leider wurden die Marienkäfer in den letzten zehn Jahren vermehrt zu Schadensstiftern. Und zwar wegen des Asiatischen Marienkäfers.
Harmonia axyridis wurde aus Südostasien importiert, um in unseren Gewächshäusern die Blattläuse zu bekämpfen. 1999 wurden die Asiatischen Marienkäfer zum ersten Mal im Freiland nachgewiesen. Seither breitet sich die invasive Art rasant aus. Bis zu fünf Generationen produziert sie pro Jahr. 2004 wurde sie zum ersten Mal in der Schweiz nachgewiesen, in Basel. Nur drei Jahre später kam sie bereits in der gesamten Schweiz vor.
19 Punkte für die Exoten
Der Asiatische Marienkäfer ähnelt unseren heimischen Arten zwar, besitzt aber meist 19 Punkte – im Unterschied zu unseren Siebenpunkt- oder Zweipunkt-Marienkäfern. Zudem kommt die asiatische Form in sehr unterschiedlichen Farbschlägen vor, von Gelb über Rot bis Schwarz.
Himugüegeli wurden bei uns seit Jahrhunderten vermehrt, weil sie so nützlich sind. Marienkäfer fressen Blattläuse in rauen Mengen. Bauern empfanden sie als Geschenk des Himmels, daher benannten sie sie nach der Jungfrau Maria. Daneben existieren 1500 regionale Übernamen.
Bedrohung für die Nützlinge
Die asiatische Variante ist aber kein Nützling. Sie frisst nicht nur Blattläuse, sondern dezimiert auch ihre europäischen Artgenossen. Während die eingeschleppte Art immer häufiger wird, ist vor allem die Population der Zweipunkt-Marienkäfer dramatisch eingebrochen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnten vor zwei Jahrzehnten eindringlich davor, die Asiatischen Marienkäfer zur biologischen Schädlingsbekämpfung einzusetzen. Der Einsatz der nicht heimischen Art war günstiger, die Behörden liessen ihn im grossen Stil zu. Ein Fehler, der sich nicht rückgängig machen lässt. Vielleicht stehen die Marienkäfer künftig nicht für Glück, sondern als Erinnerung daran, dass wir allmählich gescheiter werden sollten.
Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf. Jäggi schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.