Kolumne «Wild im Herzen»
Laura und die «lesbischen» Albatrosse

Homosexualität wird immer noch gern als unnatürlich dargestellt. Dabei zeigt schon der Blick in die Natur das Gegenteil. Selbst die Laysanalbatrosse, Ikonen der Monogamie, sind anders, als man lange dachte.
Publiziert: 01.08.2019 um 21:37 Uhr
Simon Jäggi, Mitarbeiter Naturhistorisches Museum Bern.
Foto: Thomas Buchwalder
Simon Jäggi

In einer Rede rühmte die damalige First Lady Laura Bush Laysanalbatrosse für ihre Treue. Laysanalbatrosse gelten als Ikonen der Monogamie. Der Seevogel, der fast nur auf den Inseln von Hawaii brütet, erreicht ein Alter von 60 bis 70 Jahren und trifft zur Brutzeit jeweils denselben Partner, um ein Küken aufzuziehen – manchmal ein Leben lang.

Aber es ist so eine Sache mit der Monogamie im Tierreich. Und auch mit der Heterosexualität. Denn dabei handelt es sich um menschliche Kategorien. 

Ob Bush die Laysanalbatrosse auch als leuchtendes Beispiel für ihre politischen Ansichten gewählt hätte, wenn sie damals schon gewusst hätte, was die Forschung heute weiss? 

Entlarvt durch DNA-Analysen

Jedes Jahr versammelt sich eine Kolonie an einem Ort namens Kaena Point. In den sechs Monaten zuvor durchstreiften die Vögel alleine den Nordpazifik auf der Suche nach Tintenfischen oder Krebsen. Im November kehren die weissen Albatrosse mit einer Flügelspannweite von fast zwei Metern auf die Hawaii-Insel Oahu zurück, um zu brüten.

Forscher haben dabei herausgefunden, dass ein Drittel der Paare von Kaena Point aus zwei weiblichen Vögeln besteht. Diese erstaunliche Entdeckung war erst durch DNA-Analysen möglich, da sich Männchen und Weibchen der Vogelart auf die Feder gleichen. Auf die Schliche kamen die Forscher den Vögeln, da sich in manchen Nestern jeweils zwei Eier befanden. Ein Albatros-Weibchen legt nämlich immer nur ein Exemplar. 

Monogam ist nicht treu

Die gleichgeschlechtlichen Paare verhalten sich gleich wie die gemischten Kollegen. Und zwei Weibchen können auch Küken hervorbringen. Sie paaren sich nämlich auch mit Männchen. Sexuelle Treue gibt es bei Tieren (quasi) nicht, auch nicht bei Arten, die wir als monogam bezeichnen.

Homosexuelles Verhalten ist bei über 1500 Spezies beobachtet worden, wie die Macher einer Ausstellung zum Thema errechnet haben. Das Phänomen ist aber komplex – sehr wahrscheinlich gibt es keine einheitliche Erklärung, warum homosexuelles Verhalten im Tierreich vorkommt. Auch nicht, warum es bei den Laysanalbatrossen eine derart hohe Zahl an gleichgeschlechtlichen Paaren gibt.

Sicher ist nur: Die Natur zeigt uns lediglich auf, dass homosexuelles Verhalten nichts Unnatürliches darstellt.

Simon Jäggi (38) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?