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Kolumne «Wild im Herzen»
Keine Chance für machoide Landeier

Die Kohlmeise gehört zu den häufigsten Brutvögeln der Schweiz – und jetzt hört man sie wieder öfter. Aber was hat ihr Brustband mit einem Porsche Cayenne zu tun?
Publiziert: 27.02.2020 um 23:08 Uhr
Simon Jäggi, Mitarbeiter Naturhistorisches Museum Bern.
Foto: Thomas Buchwalder
Simon Jäggi

Mögen Sie hin und wieder etwas platten Humor? Dann sind Sie hier richtig, zumindest heute. Wie heisst die Kohlmeise auf Englisch? Great Tit.

Material für Witze liefert oft auch der Vergleich von Mensch und Tier. Auch hierzu weist die Kohlmeise hohes Potenzial auf. Der Singvogel gehört zu den häufigsten Brutvögeln der Schweiz. Auf eine halbe Million Brutpaare schätzt die Vogelwarte Sempach den Bestand. In diesen Tagen wecken die Männchen mit ihrem hübschen Gesang bei uns Frühlingsgefühle. Und auch bei ihren weiblichen Artgenossen. Die Männchen liefern sich trällernd einen harten Kampf um nahrungsreiche Reviere und aparte Partnerinnen. Es gewinnt, wer mit sonorem Gesang und einer hohen Vielfalt im Repertoire brillieren kann. Und wer über einen entsprechenden Streifen auf der Brust verfügt.

Porsche Cayenne der Kohlmeise

Zum Brustreifen hat ein spanischer Forscher aus dem Naturwissenschaftlichen Museum in Barcelona höchst Spannendes – und Amüsantes – herausgefunden. Er konnte zeigen, dass Stadtkohlmeisen in der katalanischen Metropole ein schmaleres Brustband tragen als ihre Artgenossen auf dem Land.

Dabei muss man wissen: Das Brustband ist der Porsche Cayenne der Kohlmeise – ein Statussymbol, das ihre Macht widerspiegelt. Die Breite des Streifens ist genetisch bestimmt. Breitband-Männchen sind aggressiver und dominanter, sie verteidigen das Nest vehementer und kriegen die besseren Weibchen ab. Sprich: Breitband-Meisen sind Topshots.

Metrosexuelle Schmalstreifen

Aber warum weisen die Stadtmeisen aus Barcelona ein schmaleres Band auf? Ist die Stadt ein Zufluchtsort für all die schwachen Männchen, die auf dem Land bei keiner Meisendame gelandet sind?

Nein, sagt der katalanische Forscher. Er hat 500 Männchen aus Stadt und Land beringt und ihren Überlebenserfolg beobachtet. Resultat: Die Männchen vom Land lebten länger, wenn sie ein breites Band aufwiesen. In der Stadt das Gegenteil: Je schmaler der Streifen, desto höher der Überlebenserfolg. Was die Männchen mit den schmalen Streifen besser können, hat der Wissenschaftler nicht erforscht. Aber offenbar ist das «machoide» Verhalten der Breitband-Männchen in der Stadt weniger erfolgreich als jenes der «metrosexuellen» Schmalstreifen-Meisen.

Parallelen zum Menschen? Die ziehen Sie bitte selber.

Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf. Jäggi schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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