Wussten Sie, warum Bauern Hufeisen über die Stalltüre hängen? Ich wusste es auch nicht. Aber es ist mir zufällig zugeflogen, dank der bewährten Wikipedia-Labyrinth-Methode: Man beginnt irgendwo, klickt weiter, verliert sich und endet beim Stichwort «apotropäische Handlung», obwohl man eigentlich mehr über den Elch erfahren wollte. Sich ein Hufeisen über die Stalltüre zu hängen, ist übrigens eine apotropäische Handlung – ein Abwehrzauber, der Dämonen vertreiben soll. Was das mit dem Elch zu tun hat? Dazu später.
Elche, die kippen
Der Elch also. In der eleganten Familie der Hirsche, die anmutige Ballettsprünge durch die Wälder vollführen, ist der Elch das Trampeltier. In einem Bericht über die germanischen Wälder behauptete Cäsar einst, Elche hätten kein Kniegelenk. Weil sie sich nicht niederknien können, würden sie sich zum Schlafen an Bäume anlehnen. Was die Germanen zur Jagd nutzen würden, indem sie Bäume ansägten und so die Elche zum Kippen brächten. (Stattdessen war es vor zwanzig Jahren ein germanisches Auto, das beim Elchtest umkippte, aber das ist eine andere Geschichte.)
Elche haben zwar Kniegelenke, sind aber zugegebenermassen keine Stilisten auf ihren zirka einen Meter hohen Beinen. Solche Spriessen sind aber durchaus von Vorteil, zum Beispiel in Sümpfen und Mooren. Zudem haben die Elche sogar eine Schwimmhaut zwischen den Klauen, was niemand aus ihrer graziösen Verwandtschaft sonst von sich behaupten kann.
Sie entdecken neue Reviere
Elche kommen in den germanischen Wäldern übrigens wieder vor. Wie der Wolf ist der Elch derzeit daran, seine ehemaligen Habitate in Deutschland zurückzuerobern. Das zeigt sich darin, dass es inzwischen vermehrt zu Verkehrsunfällen mit Elchen kommt. Noch handelt es sich aber oftmals um einzelne Tiere, die neue Reviere erkunden. Schweden dagegen zählt 300'000 Tiere. Fast ein Drittel davon wird jährlich gejagt, dennoch ist die Population stabil.
Böse Strahlung vom Auge
Und was haben die Elche mit Abwehrzauber zu tun? Die Menschen früher hatten Angst, dass böse Blicke ihnen Unheil zufügen können. Sie waren der Ansicht, dass vom Auge eine Art böse Strahlung ausgehen könne, etwa von neidischen Menschen. Um sich vom bösen Blick zu schützen, wurde empfohlen, das Huf eines Elches mit sich zu tragen – oder sich eben ein Hufeisen über die Türe zu hängen.
Simon Jäggi (38) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner.