Ich trage selten Schmuck, aber ständig Assoziationsketten auf mir. Assoziationsketten, kennen Sie? Man beginnt mit einem Gedanken, hüpft zum nächsten und landet an völlig unerwarteten Orten. Machen Sie sich gefasst, heute wagen wir einen wilden Ritt auf einer Assoziationskette.
Starten wir die Reise an meinem Fenster. Von dort sehe ich jeweils der Aare zu, wie sie allmählich ins Meer fliesst. Jemand hat mir mal erzählt, dass es circa 14 Tage dauert, bis das Wasser von Bern im Meer angelangt ist. Überprüft habe ich das nie, aber es ist ein alter Traum von mir: aus der Türe zu gehen, in ein Boot zu steigen und mich in die Nordsee treiben zu lassen. Jemand anderes hat mal gesagt, dass man sich nie alle Träume erfüllen sollte, da sonst das Futter für die Sehnsucht ausginge.
Was für ein Vogel?!
Schöner Gedanke. Aber blicken wir nun leicht melancholisch auf die Aare. Und sehen einen Vogel, der mir unbekannt ist. Sie müssen wissen: Ich schaue oft aus dem Fenster und kenne doch einige Vögel. Vor allem jene vor meinem Fenster. Der unbekannte Flieger vollführt atemberaubende Manöver und ähnelt einem Mauersegler. Wussten Sie, dass Mauersegler manchmal monatelang nicht landen und sogar im Fliegen schlafen können? Die eine Hirnhälfte schläft, die andere steuert.
Aber ein Mauersegler kann es nicht sein. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Woher stammt eigentlich diese Redewendung? Kurz googeln. Aha, altes Testament. Die Schuppen sagen: Ein Baumfalke könnte es sein!
Danke, Homeoffice
Was tut man, wenn man mehr über einen Vogel wissen möchte? Auf die Webseite der Vogelwarte gehen. Sempach meldet: Der Baumfalke ist selten, nur bis 1000 Paare leben hierzulande. In seinem Jagdflug erbeutet er kleine Vögel oder Insekten, die er bereits in der Luft verspeist. Die Verbreitungskarte zeigt, dass er gerne Gewässer bevölkert. Und ein typisches Merkmal aufweist: seine roten Hosen. Rote Hosen nennt sich übrigens auch ein Verfahren zur Beseitigung von Messfehlern.
Die Baumfalken entdeckt zu haben, ist etwas vom Besten, was mir im Homeoffice passiert ist. Sollten Sie mal in Bern vorbeikommen, werfen Sie einen Blick auf die kreisenden Flugkünstler über dem Schwellenmätteli und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Bin gespannt, wo Sie landen.
Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner.