Kolumne «Wild im Herzen»
Astronauten zwischen Gartenplatten

Bärtierchen leben überall auf der Erde – und derzeit womöglich gar auf dem Mond. Haben die millimeterkleinen Wesen den Schlüssel zum ewigen Leben?
Publiziert: 29.08.2019 um 23:50 Uhr
Simon Jäggi, Mitarbeiter Naturhistorisches Museum Bern.
Foto: Thomas Buchwalder
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Simon JäggiSänger der Rockband Kummerbuben

Alle lieben Serien. Was Netflix erfolgreich vormacht, kopiere ich hier nun schamlos. Eine fünfteilige Serie mit dem Titel «Anonyme Anwohner – Tiere vor unserer Haustüre, von denen Sie noch nie gehört haben». Hoffentlich fessle ich Sie, liebende Lesende, damit ebenfalls an ihren Sessel.

Der Titel ist wie gewohnt etwas reisserisch. Aber die Tiergruppe, um die sich die erste Folge dreht, stellen in der Tat heimliche Anrainer dar, sogar etwas unheimliche: Bärtierchen. 

Es handelt sich um eines der eindrücklichsten Wesen, welche die Evolution hervorgebracht hat. Bärtierchen messen meist weniger als einen Millimeter, verfügen über acht Beine und sind fast überall auf der Erde zu finden. Und vielleicht in Ihrem Garten. In den Ritzen von Platten oder Pflastersteinen wächst häufig Moos – ein idealer Lebensraum für die Mikroorganismen. Bärtierchen leben aber auch im Himalaya in 6000 Meter Höhe, im Ozean in 5000 Meter Tiefe, in der Arktis und im tropischen Regenwald.

Was die Bärtierchen so faszinierend macht, ist ihre fast unvorstellbare Widerstandsfähigkeit. Die Lebenskünstler können sich bei extremen Bedingungen in eine Art Dornröschenschlaf versetzen. Dafür ziehen sie all ihre Gliedmassen wie Antennen ein und schrumpfen zusammen, indem sie 85 Prozent ihrer Körperflüssigkeit absondern.

Bärtierchen verfügen über ein wundersames Protein, welches die Wissenschaft brennend interessiert – denn es könnte ein Schlüssel zum ewigen Leben darstellen (oder zumindest einem längeren Leben). Bisher ist es nicht gelungen, einen eingefrorenen Menschen wieder zum Leben zu erwecken. Die Schäden, die beim Einfrieren in den Zellen entstehen, sind tödlich. Das Bärtierchen-Protein vermag indessen die Schäden in der DNA zu «flicken», die Kälte oder Hitze hinterlassen haben. Versuche haben gezeigt, dass Bärtierchen Temperaturen von bis 270 Grad unter null überleben! Hier ist das Ausrufezeichen nun wirklich angebracht.

Übrigens: Derzeit leben wahrscheinlich Bärtierchen auf dem Mond. Im Frühling ist eine israelische Raumsonde bei der Landung auf dem Erdtrabanten zerschellt. An Bord der Sonde befanden sich Bärtierchen. Wissenschaftler glauben aber, dass die Lebewesen zwar einige Zeit überleben, sich aber nicht dauerhaft halten könnten. 

Simon Jäggi (39) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner.

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