Die Aargauer SVP-Politikerin Martina Bircher machte kürzlich den Vorschlag, Grossfamilien in der Schweiz die Sozialhilfe zu kürzen. Diese sollen höchstens für drei Kinder Unterstützung bekommen. Das ist der Versuch einer staatlichen Familienplanung für sozial Benachteiligte, nach dem Motto: «Bitte pflanzt euch nicht fort, wenn ihr uns schon auf der Tasche liegt.»
Der Vorstoss kann nicht wirklich überraschen, wenn man weiss, dass die SVP seit einiger Zeit in verschiedenen Kantonen generell versucht, Sozialleistungen zu kürzen. Jetzt also in Kombination mit einem Staat als Fruchtbarkeits-Regulator für Leute mit zu tiefem Sozialstatus. Das passt gut in die primitive, verächtliche Bildsprache der aktuellen Apfel-Plakate, mit denen die SVP den politischen Gegner als Gewürm darstellt.
Die Schweiz als Fitnessstudio
Offenbar geht es einigen in dieser Partei entgegen ihrer Propaganda nicht um eine unabhängige Schweiz mit freien Menschen (oder um eine Stimme für die einfachen Leute), sondern um eine Moral der Starken und Erfolgreichen. Die Schweiz als christlich und patriotisch getarntes Fitnessstudio für brauchbares, tüchtiges Humankapital. Wer mithalten kann, ist willkommen, die anderen gehören finanziell bestraft.
Wenn ein Konzern so handelt und überall spart (ausser bei den Millionensummen für die oberen Etagen), dann ist das eben Kapitalismus. Aber es ist keine Grundlage für eine zivilisierte Nation, die diesen Namen verdient. So eine Nation bestraft Mütter nicht finanziell, wenn sie mehr als drei Babys zur Welt bringen, sondern sieht Kinder als Zukunft des Landes, als Geschenk in Zeiten gesellschaftlicher Vergreisung.
Kann die SVP nicht rechnen?
Statt à la China unerwünschten Nachwuchs zu sanktionieren, wäre es nicht nur menschlicher, sondern wohl auch schlauer, sich grundsätzlich mehr Kinder zu wünschen und allen eine gute Bildung zu ermöglichen – damit sie später gute Jobs für gutes Geld bekommen. Und so dem Staat etwas zurückgeben können, zum Beispiel in Form von Steuern. Wie wäre das? Oder können gewisse Leute bei der SVP, wenn sie sich schon asozial und verächtlich benehmen, nicht wenigstens rechnen?
Giuseppe Gracia (52) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.