Kolumne «Weltanschauung» über ein Projekt gegen Zwangsprostitution
Sexsklaven in Israel

Mit trendigen Taschen und Rucksäcken holt ein Schweizer Paar in Israel Frauen aus der Zwangsprostitution. Ein Projekt gegen Ungerechtigkeit und Missbrauch – mit Unternehmergeist und Nächstenliebe.
Publiziert: 21.12.2020 um 07:24 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2021 um 23:54 Uhr
Giuseppe Gracia ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur.
Giuseppe Gracia

Prostitution ist in Israel verboten. Gleichwohl gibt es einen gut organisierten Schwarzmarkt. Frauen und Minderjährige werden jeden Tag als Sexsklaven feilgeboten und missbraucht. In Israel betrifft das rund 14'000 Menschen. Um diesen zu helfen, haben die in Tel Aviv lebenden Schweizer Tabea und Matthias Oppliger vor einigen Jahren das Sozialunternehmen Kitepride ins Leben gerufen.

Die Oppligers sind überzeugt: Zwangsprostituierte brauchen kein Mitleid, sondern einen Job. Sie müssen von ihren Ausbeutern finanziell unabhängig werden, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Deswegen schaffen sie mit Kitepride Arbeitsplätze. Aus gut erhaltenen, gebrauchten Materialien wie Kitesurf-Segeln, Yachtsegeln, Fallschirmen oder Neoprenanzügen entwickelt das Sozialunternehmen trendige Taschen und Rucksäcke. 33 Frauen wurden seit Beginn der Taschen- und Rucksackproduktion aus der Sexsklaverei geholt und haben heute einen sicheren Arbeitsplatz.

Inzwischen arbeiten die Oppligers mit der israelischen Regierung und dem israelischen Verein Hope Center zusammen. Gemeinsam entwickeln sie auf nationaler Ebene ein 24-monatiges Programm, das Menschen hilft, die Sexindustrie zu verlassen. Dazu sagt Mit-Gründer Matthias Oppliger: «In den kommenden drei Jahren wollen wir weitere hundert Opfer ausbilden, ihnen bei der Jobplatzierung helfen und sie begleiten. 49 Prozent der Kosten wird der Staat Israel übernehmen, 51 Prozent werden wir mit unserem Verein, mit unserem Partner und mit Spenden finanzieren.»

Idealismus im besten Sinn

Bald ist Weihnachten. Da darf man sich wünschen, dass diesem Projekt Erfolg beschieden ist. Man darf sich wünschen, dass es in vielen Ländern solche Initiativen und Menschen geben möge, die sich einsetzen. Menschen, die mit Unternehmergeist, Kreativität und Arbeit versuchen, einen Unterschied zu machen.

Einen Unterschied im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Missbrauch, sei es in der Sexindustrie, sei es sonstwo in der Gesellschaft. Das wäre Idealismus im besten Sinn. Oder mit den Worten des deutschen Lyrikers Novalis (1772-1801): «Idealist sein bedeutet, Kraft haben für andere.»

Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Sein neuer Roman «Der letzte Feind» ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. In der BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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