Kolumne «Weltanschauung»
Böse Medien

Sensationsgierig, negativ, manipulativ – über Journalisten zu schimpfen, ist ein beliebter Volkssport. Anspruchsvoller ist es, sich selbst als Medienkonsument zu kritisieren.
Publiziert: 07.07.2019 um 23:09 Uhr
BLICK-Kolumnist Giuseppe Gracia (51) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur.
Foto: Thomas Buchwalder
Giuseppe Gracia

Über die Medien schimpfen, das ist ganz einfach. Man sagt zum Beispiel: «Die übertreiben und manipulieren!» Oder: «Die haben ihre versteckte Agenda!» Und schon präsentiert man sich beim Grillabend oder in der Kaffeepause als kritischer, unabhängiger Geist. Journalisten suchen doch immer nur den grossen Skandal, blasen alles auf und verkaufen es als relevante News! Ist es nicht so?

Jeden Tag tischen uns die Medien mit geschäftsträchtigen Alarmglocken schlechte Nachrichten rund um den Globus auf und verschweigen frech und schadenfreudig das Gute auf der Welt, um unsere armen Seelen in Angst und Schrecken zu versetzen – und dafür müssen wir auch noch bezahlen!

Ja, die Journalisten sagen uns maximal die halbe Wahrheit und treten dabei auch noch total humorlos auf, mit dem grimmigen Ernst desillusionierter Berufszyniker, die alles besser wissen und überall Ärgernisse wittern. Dabei würden sie lieber mal einen Psychiater aufsuchen.

Warum konsumieren wir es trotzdem?

Nicht so einfach ist es, sich selber als Medienkonsumenten zu kritisieren und sich zum Beispiel Rechenschaft darüber zu geben, warum wir täglich alle diese Medien konsumieren, die angeblich so schlecht sind. Warum wir immer wieder Skandalgeschichten lesen und das Gift der Bad News einsaugen, so wie man den Qualm einer Zigarette hastig raucht.

Geben wir es zu: Wir konsumieren zwanghaft den analogen und digitalen Medienlärm, weil wir glauben, dass wir sonst nicht mitreden können, und wir haben es nötig, uns über alles Mögliche aufzuregen. Ausserdem ist es natürlich so, dass wir das, was wir den Medien vorwerfen (Fixierung auf das Negative, Weglassen des Positiven), gegenüber Medien selber betreiben: Wir fixieren aufs Negative und lassen das Positive weg.

«Bellende Wachhunde»

Wir vergessen, dass es sie noch immer gibt, die Journalisten, die uns informieren wollen, die für uns das Geschehen seriös einordnen und öffentliche Machtkontrolle betreiben wollen. Ohne sie gibt es keine funktionierende Demokratie. Oder, formuliert mit der Idealvorstellung des Schriftstellers Ephraim Kishon (1924–2005): «Die Medien sind die bellenden Wachhunde der Demokratie, und die Demokratie ist das beste politische System, weil man es ungestraft beschimpfen kann.»

Giuseppe Gracia (51) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?