Die Krankenkassenprämien werden immer mehr preislich zum Luxusgut. Deshalb ist es so wichtig, dass möglichst alle kostspieligen Fehler und Fehlanreize aus dem System beseitigt werden. Davon gibt es viele und das zu ändern ist unglaublich schwierig, denn die Lobby verteidigt ihre Pfründe mit aller Vehemenz.
Hier die neueste Wendung in der alten Geschichte namens: Gewinnmaximierung mittels Zulassungsjonglieren bei Medis. Statt dem sich abzeichnenden Happy End für unsere Gesundheitskosten passiert … wieder mal nichts.
Worum gehts? Um ein eindrückliches Beispiel: Die weitverbreitete Augenkrankheit feuchte AMD (feuchte altersbedingte Makula-Degeneration) kann wirksam behandelt werden. Theoretisch stehen teure Medikamente, die alle zwischen 600 und 1000 Franken (pro Injektion!) kosten, und ein Mittel namens Avastin, das «nur» zwischen 50 und 100 Franken pro Injektion kostet, zur Verfügung. Die Wirkung ist bei allen Medikamenten gleich gut.
Sowohl das in diesem Fall günstige Avastin als auch das viel teurere Medi Lucentis (das für die feuchte AMD-Behandlung zugelassen ist) wurden von Roche entwickelt. Avastin wurde ursprünglich als Krebsmedikament entwickelt und zugelassen. Die Wirksamkeit bei feuchter AMD ist sozusagen ein Zusatznutzen.
Weil die Pharmaindustrie kein Interesse hat, das günstige Medi statt dem teuren zu verkaufen, hat Roche der Verwendung einen Riegel geschoben, indem es nie eine Zulassung für Avastin als Augenmedikament beantragt hat.
Das ist sehr schlecht für uns, denn die Krankenkassen dürfen in der Regel nur die für die Krankheit zugelassenen Medikamente vergüten. Ausnahmen, den sogenannten «Off-Label-Use», kann es nur dann geben, wenn kein anderes wirksames Medikament zur Verfügung steht.
Im genannten Fall gibt es aber andere Medis und somit kann Roche ganz legitim verhindern, dass das günstigere Avastin für die feuchte AMD-Behandlung genutzt wird.
Auf bis zu 150 Millionen Franken pro Jahr schätzte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 2022 das Sparpotential nur hierfür. Und dieses Beispiel ist sicherlich kein Einzelfall.
Deshalb hatte ich vorgeschlagen, dass für die Vergütung beim Off-Label-Use auch das Wirtschaftlichkeitskriterium eine Rolle spielen soll. Im Klartext: Medikamente sollten auch dann von der Krankenkasse vergütet werden können, wenn sie nicht nur wirksam, sondern auch günstiger sind als zugelassene Alternativen. Schliesslich ist das Kostensparen nicht nur dringend nötig, sondern auch im Krankenversicherungsgesetz verankert.
Das BAG hat das Wirtschaftlichkeitskriterium letztes Jahr in seine Verordnungsänderung aufnehmen wollen. Leider wurde dieser sinnvolle Änderungsvorschlag – wohl nach intensiver Lobbyarbeit – wieder beerdigt.
Der Bundesrat hat es verpasst, auf diese Bestimmung zu bestehen. Damit wird auf die Realisierung eines grossen Sparpotentials verzichtet, welches ohne Qualitätsverlust hätte umgesetzt werden können. Für mich ist das nicht nachvollziehbar.