Kolumne von Claude Cueni
Geliebte Monster

Nach überstandener Corona-Krise dürfen wir uns wieder an fiktiven Gefahren ergötzen: Horrorfilme sind beliebter denn je, und die nächsten Thriller mit Viren in der Hauptrolle dürften schon bald kommen.
Publiziert: 11.06.2020 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2020 um 07:16 Uhr
Claude Cueni, Schriftsteller.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

«Gorilla, eine Negerin entführend» nannte Emmanuel Frémiet (1824–1910) seine Bronzefigur, die er für die Ausstellung im Pariser Salon einreichte. Die Jury war schockiert. Im gleichen Jahr hatte bereits der Naturforscher Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie die Gemüter erhitzt. Die Preisrichter hielten sich an die damalige Political Correctness und verbannten den Gorilla hinter einen Vorhang. Die «erzieherische Massnahme» war erfolgreich. Frémiet erschuf zwar erneut einen Affen, gab ihm aber eine weisse Frau zum Frühstück und nannte das Werk «Gorilla, eine Frau entführend». Er erhielt dafür prompt die Ehrenmedaille.

Frémiets bronzener Affe inspirierte zahlreiche Autoren. Kein Geringerer als Edgar Wallace schrieb ein Drehbuch mit dem Arbeitstitel «Die Bestie». Er verstarb noch vor dem Happy End. Überlebt hat nur die Legende, er habe das erste Film-Monster erschaffen.

Für Monster gibt es kein Verfallsdatum

Das eigentliche Original entstand 1933, «King Kong und die weisse Frau», damals der bis anhin erfolgreichste Kinostart. Da Produzenten zur Risikominimierung gerne auf Fortsetzungen und Neuverfilmungen setzen, gibt es für Monster kein Verfallsdatum. Aber Konkurrenten. Sie sind etwas kleiner, unsichtbar und nisten sich als blinde Passagiere im Organismus von Millionen Menschen ein. Solche Horrorszenarien sind beliebt, deshalb stürmen heute selbst alte Pandemie-Filme wieder die Top Ten der Streamingdienste.

In «Outbreak»(1995) stammte das Virus von Affen und wurde nicht in Wuhan, sondern in einem US-amerikanischen Labor weiterentwickelt. Auch in Danny Boyles «28 Days Later» (2002) sprang ein Affen-Virus auf den Menschen über und infizierte ihn mit «Wut».

Ende Jahr tritt King Kong gegen Godzilla an

In den letzten Monaten brauchte es keinen Infekt, um Menschen in Wutbürger zu verwandeln. Die einen sorgten sich um Lohneinbussen oder Jobverlust, andere hatten in ihrer Jugend nie gelernt, Einschränkungen zu akzeptieren, und nannten die Quarantäne «Isolationshaft», während sie mit einer Tüte Popcorn «Godzilla II» schauten.

Ende Jahr soll King Kong gegen Godzilla antreten. Falls die beiden keine halbe Milliarde Dollar einspielen, werden sie frühzeitig pensioniert. Als Nachfolger empfehlen sich Dinosaurier und Covid-20.

Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Am 20. Juli erscheint im Verlag Nagel & Kimche sein Roman «Genesis – Pandemie aus dem Eis».

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