Wir hatten gerade einige Wochen im Lockdown verbracht, als uns Freunde via Facetime fragten, was wir von der Anschaffung einer sogenannten Kitchen Aid halten würden. In ihrem Supermarkt sei die gerade im Angebot – ob wir eine Idee hätten, wozu dieses Ding gut sei?
Dazu muss man wissen, dass die besagten Freunde genau wie wir sämtliche Mahlzeiten im Restaurant einnehmen, auch laden wir nie gegenseitig in unsere Wohnungen, essen aber beinahe wöchentlich gemeinsam in einer unserer drei, vier Stammbeizen. Die wiederum nennen wir liebevoll «unsere Wohnzimmer».
Corona hat das – vielleicht für immer – verändert.
Die Hausfrau in sich
Denn selbst wenn jetzt die meisten Restaurants wieder geöffnet haben, ist viel verloren gegangen: zufällige Begegnungen mit Freunden, den interessanten Tischnachbarn in ein Gespräch verwickeln, am Ende des Abends den Wirt auf einen Schlummertrunk an unseren Tisch bitten. Letztlich: aus der eigenen, privaten Enge hinaustreten in eine klar definierte Öffentlichkeit, um sich dort an einen fertig gedeckten Tisch zu setzen wie früher zu Hause.
Nun wurde unser eigenes Zuhause zum Massstab aller Dinge – und selbst Hipster-Mädchen, Influencer und unbelehrbare Stadtneurotiker entdeckten die Hausfrau in sich. Spätestens als die Chefredaktorin der amerikanischen Zeitschrift «Vogue» ihre Tochter auf Instagram beim Kuchenteig-Ausrollen zeigte, ahnte man, dass hier gerade eine universelle Werteverschiebung stattfindet.
Vormittag statt Nacht
Die Rubriken der Frauenmagazine hatten über Jahrzehnte Intellekt und kulturellen Wissensvorsprung sowie modischen Stil und einen perfekt trainierten Körper als Match-entscheidende Qualitäten gefeiert. Dazu passte, dass wir uns alle in Grossstädte träumten, die Nacht spannender fanden als den Vormittag, in unseren Kühlschränken vor allem Joghurt, Mineralwasser und Weisswein lagerten.
Was mich zu der eingangs erwähnten Wundermaschine zurückbringt, die laut Eigenwerbung «besseres Essen in grösserer Vielfalt» garantiert. Ein Klassiker unter den Küchenaccessoires, vor gut hundert Jahren in den USA entwickelt. Ich habe sie mir geleistet, um eben jenen glatten, gleichmässigen Teig herbeizukneten, der jetzt offenbar im Trend ist.
Sollte irgendwann das Restaurantleben zurückkehren in die alte Normalität, macht sich das tintenblaue Rührgerät zum Glück auch im Ruhezustand sehr gut vor unseren Küchenkacheln gleicher Couleur.
Lisa Feldmann hat sich schon als Chefredaktorin der Zeitschrift «Annabelle» über die tiefere Bedeutung unserer alltäglichen Lifestyleprodukte Gedanken gemacht. Heute liest man darüber jeden zweiten Samstag im BLICK und auf ihrem Blog feldmanntrommelt.com.