Klar kannte ich das Osterfest lange bevor ich meinen Mann und mit ihm jede Menge Schweizer Gepflogenheiten lieben lernte. Auch ich hatte als Kind Eier ausgeblasen, bemalt, gesucht und gefunden – und über das lange Wochenende eine ansehnliche Zahl Schokohasen gefuttert, darunter auch den einen oder anderen goldenen von Lindt! Aber diese Rituale gehörten in die Kindheit, wie «???»-Bücher oder der dringende Wunsch, einen Goldhamster zu besitzen.
Dann wurde ich von meinen zukünftigen Schwiegereltern eingeladen, das Osterwochenende mit ihnen am Lago Maggiore zu verbringen. Wie jedes Jahr begann für die Familie damit die Saison, ihr Ferienhaus wurde für den Sommer gerüstet. Ich brachte eine Flasche Champagner mit und eine Duftkerze – wurde aber gleich zur Begrüssung gefragt, was ich zu den Osternestern beizusteuern hätte, die am Sonntag versteckt würden. Ähhh …?
Das ganze Haus war mit Zweigen und Blumen geschmückt, auf den Fensterbänken hockten Keramikhasenfamilien. Ostereier baumelten an Kandelabern, das Frühstücksservice zierten Hühner und Küken, und am Samstagnachmittag brachten die italienischen Nachbarn einen gebackenen Kranz mit gekochten Eiern, für den sich meine Schweigermutter mit einem frisch gebackenen Osterlamm aus Rührkuchenteig revanchierte.
Glaub doch an den Osterhasen!
Den Ostersonntag verbrachte man tatsächlich im Garten, todernst damit befasst, die Verstecke anderer Familienmitglieder aufzuspüren. Nicht immer final erfolgreich: Der Spaniel meines Schwiegervaters hat nicht selten noch im Spätsommer ein echtes Überraschungsei ausgebuddelt.
Seit diesem Tag glaube ich wieder an den Osterhasen. Ich glaube daran, dass eine Familie bis ins hohe Alter miteinander Spass haben kann, dass Ostereiersuchen nichts anderes ist als die Freiluftvariante des Weihnachtsliedersingens. Dass Hasenfiguren jedes Zimmer fröhlicher stimmen und Kirschblütenzweige ohne bunt bemalte Eier und andere Anhänger quasi nackt aussehen: Meine Lieblinge sind die Figürchen von En Soie in Zürich, zu meiner Sammlung kam gerade ein lesender Hase hinzu.
Inzwischen bin ich selbst Schweizerin genug, um den Osterfeiertagen ab Februar entgegenzufiebern – und vielleicht wird von nun an die ganze Welt diesen besonderen Feiertag ehren, bei dem sich alles um das lang entbehrte Draussen dreht!
Lisa Feldmann hat sich schon als Chefredaktorin der Zeitschrift «Annabelle» über die tiefere Bedeutung unserer alltäglichen Lifestyleprodukte Gedanken gemacht. Heute liest man darüber jeden zweiten Samstag hier und auf Instagram unter feldmanntrommelt. Zu hören ist sie im BLICK-Podcast «Bikini».