Kolumne «Meine Generation» über Warnhinweise
Dieser Text könnte verstörend wirken

In ihrer ersten Blick-Kolumne warnt Noa Dibbasey vor sich selbst. Solche «Disclaimer» sind der Generation Z sehr geläufig. Ihr Zweck ist nicht immer eindeutig.
Publiziert: 11.02.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2022 um 18:01 Uhr
Noa Dibbasey

«Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.» Diesen Satz kennen Sie bestimmt. Er warnt vor der Einnahme eines Medikaments. Und gibt zugleich die Verantwortung dafür an Sie ab.

Das Phänomen des Vorwarnens und Sich-Entbindens von den Konsequenzen beobachte ich auch in meiner Generation. «Disclaimer» oder «Trigger-Warnungen» sind gerade stark im Trend. Vor jedem Instagram-Post, Tiktok-Video und Youtube-Filmchen prangt in fetter roter Schrift ein Hinweis: Der folgende Inhalt könnte unangenehme Gefühle oder gar Traumata auslösen. Stammt der Post aus den USA, dem Land der 1001 Klagen, dann soll der Disclaimer wohl auch Millionenforderungen fernhalten.

Ich finde das ziemlich flott von meinen Internet-Genossinnen. Zwar können Zyniker leicht behaupten, dass Trigger-Warnungen einfach der eigenen Absicherung dienen – ich möchte lieber glauben, dass sich meine Generation gegenseitig vor aufwühlenden Inhalten schützen möchte.

Verständnis für die andern

Denn gerade was mentale Gesundheit und sexualisierte Gewalt angeht, beobachte ich in meinem Umfeld eine Aufgeklärtheit, die ein breites Verständnis für Mitmenschen birgt.

Natürlich ist auch diese Sicht nicht vor Kritik gefeit: Ja, vielleicht wollen wir Jungen uns tatsächlich nur in unserer wohlig warmen Blase bewegen, in der uns Algorithmen mit Schmink-Tutorials, Videos von süssen kleinen Wesen (abwechselnd Hunde- und Menschenbabys) und den neuesten Sportergebnissen berieseln. Aber dazu ein anderes Mal ausführlicher.

Die Einführung in diese Vorwarn-Phänomene dient hauptsächlich meinem Eigennutzen: Diesen ersten Text von mir dürfen Sie gern als Disclaimer wahrnehmen. Er ist zwar nicht in fetter roter Schrift verfasst – gilt aber trotzdem, okay?

Sie sind gewarnt!

Diese Kolumne wird ziemlich sicher auch einige unangenehme Gefühle auslösen. Speziell bei meinen Grosseltern möchte ich mich im Voraus für zukünftig hier geschilderte Eskapaden in meiner Jugend entschuldigen.

Ausserdem will ich klarstellen, was sowieso klar ist: Der Titel «Meine Generation» bedeutet nicht, dass sich meine Aussagen verallgemeinern lassen. Schliesslich wird Individualismus in der Generation Z grossgeschrieben. Ich sage: Das dürfen wir einer Mischung aus jugendlicher Selbstüberschätzung, übermässiger Informationsflut und ebendiesen Algorithmen verdanken.

Obwohl ich Soziologie und Politik studiere und Sie ab und an mit verrückten Studien überfallen werde, ist diese Kolumne nicht vor küchenpsychologischen Erklärungen für Phänomene unserer Gegenwart gefeit.

Könnte einer dieser Punkte bei Ihnen ein unwohles Gefühl hervorrufen, dann ignorieren Sie diese Rubrik jeden zweiten Freitag. Ansonsten gilt: Ich habe Sie gewarnt.

Noa Dibbasey (20) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt ab heute jeden zweiten Freitag im Blick.

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