Kolumne «Geschichte» über Chili
Scharf, schärfer, Gringokiller

Für die Schärfe von Chili gibt es sogar eine eigene Messskala. Die Sorte, die obenausschwingt, ist nichts für schwache Geschmacksnerven. Kein Wunder, wird Chili auch als Waffe eingesetzt. Und manchmal als Potenzmittel.
Publiziert: 09.07.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2021 um 20:37 Uhr
Claude Cueni, Schriftsteller.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

Die Zunge brannte, die Speiseröhre stand in Flammen, das Herz raste, und bevor Christoph Kolumbus zusammenbrach, schossen entzündungshemmende Endorphine in sein Gehirn und linderten den Schmerz.

Nachdem Kolumbus 1492 nicht Indien, sondern Amerika entdeckte hatte, irrte er auch bei dieser scharfen Chilischote. Er hielt sie für eine unbekannte Pfeffersorte und nannte sie ganz unbescheiden «spanischer Pfeffer». Chili war jedoch in Mittel- und Südamerika seit rund 9000 Jahren bekannt, verbreiteter als Mais, und diente als Schmerz- und Heilmittel. Die Göttin Tlatlauhqui-cihuatl-ichilzintli wachte über die rote Schote, die fast jeder Mahlzeit beigemischt wurde.

In Europa schmeckte das Essen damals unglaublich fad. Nur Könige, Adlige und Geistliche konnten sich Gewürze leisten. Die Diener Gottes verspottete man als Pfeffersäcke, weil sie in Saus und Braus lebten. Pfeffer wurde zeitweise sogar in Gold aufgewogen. Unter den Seefahrernationen war deshalb ein Wettlauf zu den sagenumwobenen Gewürzinseln ausgebrochen.

Würzen, wärmen, Angreifer vertreiben

Es gibt heute über 200 verschiedene Chilisorten mit unterschiedlichen Namen, die bekanntesten sind Jalapeño und Cayenne. Ja, der Cayenne-Pfeffer hat nichts mit Pfeffer zu tun, er besteht ausschliesslich aus Chili. Die Schoten unterscheiden sich in Geschmack, Grösse, Farbe und Schärfe recht stark voneinander. Die Schärfe ist dem brennenden Capsaicin geschuldet und wird in Scoville-Einheiten gemessen. Mexikanische Jalapeños haben weniger als 5000 Scoville, es gibt jedoch einige südamerikanische Sorten mit Spitzen von bis zu 300'000 Scoville. Die krasseste Schärfe weist der Manzano-Chili auf, nicht umsonst wird er «Gringokiller» genannt.

Während Azteken ihre Feinde zur Abwechslung dem beissenden Rauch gerösteter Chili aussetzten, würzen wir heute unsere Pfeffersprays mit Chili. Auch in der Medizin hat die Schote überlebt. Wir finden sie in Wärmepflastern, die man bei Hexenschuss auf den Rücken klebt.

Chili statt Viagra

Da Capsaicin auch die Durchblutung fördert, benützen es Experimentierfreudige als günstigen Viagra-Ersatz. Sofern man sich für Tabasco entscheidet, sollte man die Chilisauce nur über das Essen tröpfeln und nicht an der hilfsbedürftigen Körperstelle einreiben.

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Im März erschien im Verlag Nagel & Kimche «Hotel California», ein Lebensratgeber in Romanform für seine Enkelin. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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