In alten Rom waren Gladiatorenkämpfe ursprünglich Bestandteil von Begräbnisfeiern. Der Veranstalter wollte den Verstorbenen mit dem verflossenen Blut ehren und sich mit dem Spektakel für ein politisches Amt empfehlen. Gladiatorenblut galt als Wundermittel. Es wurde für die «Heilung» von Epilepsie verwendet. Ärzte widersprachen. Trotzdem hielt sich der Brauch 500 Jahre lang bis zum Verbot der Arenaspiele um 400 nach Christus.
Die Gladiatoren starben aus, der Aberglauben blieb. Charles Henri Sanson, der Henker der Französischen Revolution, wollte Arzt werden, musste aber den Henkerjob des Vaters übernehmen. Töten statt Heilen. Er berichtete in seinen Tagebüchern, dass sich jeweils Schaulustige unter das Schafott drängten, um Bluttropfen aufzunehmen, die zwischen den Holzplanken hindurchsickerten, wenn der abgeschlagene Kopf in den Weidekorb plumpste. Diesen blutbefleckten Textilien sagte man heilende Wirkung nach.
Aberglaube in Rot
Blut war stets ein Symbol für Vitalität und Lebenskraft. Man war der festen Überzeugung, dass man mit Blut nicht nur die Götter besänftigen, sondern auch Unheil abwenden und Kranke heilen konnte. Blutrituale sind so alt wie die Menschheit. In allen Kulturen hatte Blut eine magische Wirkung. Bereits Odysseus lockte in der Unterwelt die Seelen der Verstorbenen mit einem Blutopfer. Aberglauben hat oft eine religiöse Färbung. Im Christentum trinkt der Priester beim Abendmahl das Blut Christi zur spirituellen Stärkung.
... und eine Prise Himalaya-Salz
Während die Landeskirchen laufend Mitglieder verlieren, erhalten alternative Patchwork-Religionen Zulauf, denn das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Spiritualität bleibt bestehen, und so suchen Etliche Halt in einem Mix aus radikalen Ernährungs- und Fastenvorschriften, grünem Fundamentalismus, streng reguliertem Extremismus und einer Prise Himalaya-Salz.
Die Militantesten unter ihnen behaupten, dass Veganerblut Krebs heile. Wer an Krebs stirbt und sich nicht vegan ernährt hat, ist selber schuld. Die krebskranke Veganerin Mari Lopez predigte letztes Jahr ihren 500'000 Followern, dass Chemotherapien überflüssig sind. Sie starb wenige Monate später. Wie viele Verzweifelte ihrem Rat gefolgt sind, ist nicht bekannt.
Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.