Kolumne «Geschichte»
Eine Frau sieht rot

Die militante Abstinenzlerin Carry Nation griff Ende des 19. Jahrhunderts für ihr Anliegen zur Axt. Greta Thunberg lehnt heute Gewalt zwar ab, flirtet aber mit Straftätern.
Publiziert: 22.08.2019 um 23:13 Uhr
Schriftsteller und BLICK-Kolumnist Claude Cueni.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

Ende des 19. Jahrhunderts stürmte die zwei Meter grosse Carry Nation mit einer Axt einen Saloon in Kansas und schlug die ganze Bar kurz und klein. Der Sheriff nahm sie wegen Sachbeschädigung fest. Carry protestierte, sie habe den Saloon nicht beschädigt, sondern zertrümmert, und sie werde nach ihrer Haftentlassung weiter wüten.

Dabei hatte alles friedlich begonnen. Carry war schon früh der Frauenorganisation Temperance Union beigetreten, die aus der Abstinenzbewegung der 1870er-Jahre entstanden war. Alkoholsucht war in jener Zeit ein echtes Problem.

Lizenz zum Hacken

Jeder Einwohner über 15 trank im Schnitt achtzig Flaschen Whiskey pro Jahr, also dreimal so viel wie die Nachfahren im 21. Jahrhundert. Arbeiter tranken am Morgen, am Mittag und am Abend, das Land war notorisch besoffen, und ganze Familien stürzten in Elend und Armut. Auch Carrys Biografie war mit Alkoholleichen gepflastert.

Frustriert vom abflauenden Erfolg der Abstinenzler, wollte sich Carry nicht mehr mit Protestliedern und Sitzstreiks vor den Saloons begnügen. Sie liess sich scheiden, gründete mit radikalen Christen eine neue Sektion und griff zur Axt. Sie sagte, Gott persönlich habe ihr die Lizenz zum Hacken erteilt.

Kleine Äxte für die Fans

Medienwirksam randalierte sie im US-Senat, auf ihren Vortragsreisen wurde sie wie ein Popstar gefeiert. Promis biederten sich an und genossen fortan ihren Whiskey heimlich, während Carry nach über hundert zertrümmerten Saloons das Merchandising entdeckte und kleine Äxte mit der Aufschrift «Saloon-Zerschmetterer» verkaufte.

Wie die meisten Massenbewegungen, die zu Beginn ein durchaus legitimes Anliegen haben, radikalisiert sich bei nur mässigem Erfolg eine ungeduldige Minderheit und begeht Straftaten, die sie als moralische Pflicht zum Widerstand deklariert.

Greta und die Vermummten

Greta Thunberg lehnt Gewalt ab. Das wiederholt sie auch, wenn sie zum Fotoshooting ein T-Shirt der gewalttätigen Antifa anzieht oder im Hambacher Forst mit zwei Vermummten posiert, die zur «Rettung des Klimas» Angestellte des Stromkonzerns RWE mit nicht ganz CO2-freien Molotow-Cocktails angriffen und verletzten.

Der Flirt mit demokratiefeindlichen Straftätern ist wohl als Drohung zu verstehen. Falls ja, könnte es bald heissen: Friday was yesterday.

Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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