Kolumne «Geschichte»
Ein Denkmal für Polizeibeamte

Immer wieder werden Denkmäler verwüstet, der Luzerner Löwe sogar doppelt: Mal in seiner Heimatstadt, mal in den USA. Mit Denken hat der Vandalismus nichts zu tun.
Publiziert: 17.09.2020 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2020 um 21:38 Uhr
Kolumnist Claude Cueni vergleicht Wahlen im alten Rom mit der aktuellen Politik.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

Seit 1821 stirbt der Luzerner Löwe in seiner Grotte vor sich hin. Mit jährlich rund 1,4 Millionen Besuchern gilt er heute als eines der meistbesuchten Touristenziele Luzerns. Für die meisten ist dieses in Sandstein gehauene Denkmal «das traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt (Mark Twain)». Nicht alle wissen, dass der Löwe an den Untergang der Schweizergarde erinnert, die am 10. August 1792 erfolglos die Tuilerien in Paris gegen den Ansturm der aufgebrachten französischen Revolutionäre verteidigte.

Vor elf Jahren warf «eine unbekannte Körperschaft» rote Farbbeutel auf den Löwen, um gegen das Denkmal zu protestieren, aber auch um sich mit Straftätern zu solidarisieren, die im Verdacht standen, in Frankreich Terroranschläge gegen TGV-Züge verübt zu haben. Einige Medien druckten das anonyme Bekennerschreiben als sei es eine offizielle Regierungserklärung.

Einmal mehr wollte ein anonymes Grüppchen der Allgemeinheit vorschreiben, was sie sehen darf und was nicht. Schaden für den Steuerzahler: 75'000 Franken.

Krankenakte der Zivilisation

Man ändert die Geschichte nicht, indem man die Krankenakte der Zivilisation umschreibt. Der Löwe entsprang Ende des 18. Jahrhunderts dem damaligen Zeitgeist. Vor lauter Empörung vergessen die Vandalen, dass die Liebhaber des Denkmals nicht die Monarchie verherrlichen, sondern die Kunst der beteiligten Bildhauer bewundern.

Vor zwei Jahren gelang dem Luzerner Löwen der Sprung über den Atlantik. Nun stirbt er auch im «Memorial Park» in der US-amerikanischen Stadt Colorado Springs. Er erinnert nicht an die gefallenen Schweizer, sondern gedenkt der dreissig Polizeibeamten, die seit 1895 bei der Verhaftung von Straftätern am östlichen Rand der Rocky Mountains ums Leben gekommen sind. In Stein gemeisselt sind die Worte:

Ich war dort, wo du fürchtest zu sein.
Ich habe gesehen, was du fürchtest zu sehen.
Ich habe getan, was du fürchtest zu tun.
All diese Dinge habe ich für dich getan.

Was am Ende an die Menschheit erinnert

Kürzlich wurde nun auch dieses Denkmal beschädigt. Wenn jeder zerstört, was ihm missfällt, enthüllen wir eines Tages das Denkmal eines Diktators, der einen Bürgerkrieg beendet hat, und von der Biografie der Menschheit bleibt nur noch ein prähistorischer Faustkeil übrig.

Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Im Verlag Nagel & Kimche ist sein neuer Thriller «Genesis – Pandemie aus dem Eis» erschienen.

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