«Es war die grösste Protestveranstaltung seit dem Generalstreik von 1918», erinnert die «NZZ» an den Frauenstreik vom 14. Juni 1991.
Die Idee dazu hatte Christiane Brunner, Gewerkschaftsfrau und SP-Nationalrätin. Ihre politische Schwester heisst Ruth Dreifuss. Die beiden aus Genf waren ein Power-Duo.
Im Restaurant meiner Gret arbeiteten an diesem Frauenstreiktag nur Männer. Ich an der Geschirrwaschmaschine. So kaputt war ich noch nie wie nach neun Stunden Frauenarbeit.
Nun wird für den 14. Juni ein neuer Frauenstreik angesagt. Das Thema: Gleicher Lohn für Mann und Frau.
Bäuerinnen streiken mit
Christine Bühler, Präsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, meldet ihre Anliegen in der Unia-Gewerkschaftszeitung «Work» an: «Drei Viertel der Bäuerinnen sind nicht sozialversichert. Ohne Lohn und ohne Arbeitsvertrag gelten sie als Nichterwerbstätige.» Obschon sie 63 Stunden die Woche im Betrieb arbeiten, so der amtliche Befund.
Christine Bühler erklärt, wieso: «In der Landwirtschaft ist es so, dass es nur einen Besitzer geben kann. Und das ist meistens der Mann. Das ganze Vermögen ist damit in seinen Händen und bleibt es auch nach einer Scheidung.» Die Frau steht mit leeren Händen da. Christine Bühler wird am Frauenstreik mitmachen. Sie und ihr Mann teilen übrigens das Betriebseinkommen untereinander auf.
657 Franken weniger
Eine Berufsfrau verdient in der Privatwirtschaft im Schnitt 657 Franken pro Monat weniger als ein Mann. Jeden Monat fehlen 657 Franken, nur weil sie eine Frau ist. Diese Zahl ist amtlich.
Das ist erstens ungerecht, zweitens verfassungswidrig. Seit 1981 schreibt die Bundesverfassung vor: Gleicher Lohn bei gleichwertiger Arbeit für Mann und Frau. Das wird langsam ein alter Papiertiger.
Friedrich Dürrenmatt hielt absolute Gerechtigkeit für eine Utopie. Eine gerechtere Gesellschaft hingegen müsse möglich sein. Am Frauenstreik vom kommenden 14. Juni geht es um eine gerechtere Lohnverteilung.
Der Frauenstreik 1991 war eine mächtige Demonstration. Der Bundesrat revanchierte sich 1996 mit dem Gesetz «Gleichstellung von Mann und Frau». Jetzt fehlt noch das Gesetz für den gleichen Lohn.
Helmut Hubacher (92) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.