Kolumne «Alles wird gut»
Wohlig warm

Klimawandel? Das Wort klingt viel zu wohlig für das, was wir der Erde antun. Wir brauchen eine deutlichere Sprache.
Publiziert: 08.09.2019 um 23:03 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Stellen Sie sich vor, sie wären gerade ganz entspannt. Wärme umgibt Sie. Leicht sind Sie bekleidet, leicht ist alles und hell und freundlich. Blühende Felder, lachende Menschen. Sie fühlen sich aufgehoben, erkannt, geliebt. Angenehm. Alles ist angenehm, was Sie mit «Wärme» und «Erwärmung» verbinden.

Die SVP bezichtigt alle anderen Parteien der «Klimahysterie». Starkes Wort, starker Vorwurf. Nur leider, leider völlig gegenstandslos.

«Gutes Klima schaffen»

Gehen wir auf die Homepage von Regula Rytz, Präsidentin der Grünen, der Klimapartei par excellence. Wofür kämpft sie als Ständeratskandidatin? Sie will «ein gutes Klima schaffen!» Unverfänglicher geht nicht. Gehen wir auf die Homepage von Balthasar Glättli, auch er ein Vorzeigegrüner, Fraktionspräsident und Nationalrat. Unter «Schlagworte» finden wir da gross «Asyl», «Mobilität» oder «Soziales» und auch – zum Übersehen klein – «Klimawandel». Als ob er sich dafür schämen würde.

Man muss keine Visite bei den Grünen machen, um zu erkennen, dass wir als Gesellschaft sehr weit von Hysterie entfernt sind. Schon unsere Sprache verrät unsere Gelassenheit. Denn wie sprechen wir über unsere mögliche selbst verschuldete Selbstzerstörung? Wie fassen wir die immer häufigeren Dürren und Überschwemmungen zusammen, die Gluthitze, die schmelzenden Gletscher, die toten Korallen? Im Modus der wohligen Selbsttäuschung benutzen wir dafür das Wort «Klimaerwärmung». Und kaschieren damit alles Extreme elegant.

Der Schurke fehlt

«Wandel» ist ein ebenso magisches Wort. «Klimawandel», das klingt nach Zauber. Nach Simsalabim. Klingt weich und anstrengungslos und nach Hingabe. Alles, was ist, wandelt sich. Lassen wir sie doch walten, die Natur, geben wir uns vertrauensvoll in ihre Hände.

Selbst das unbestechlich klingende Wort «Klimaschützer» vertuscht etwas: Es erinnert nur an das schutzbedürftige Klima und seine Beschützer. Aber der Schurke fehlt, vor dem das Klima geschützt werden muss. Auch «Klimaleugner» und «Klimaskeptiker» sind seltsam nette Worte für Menschen, die zuschauen, wie wir die Welt unserer Enkelkinder in weiten Teilen in eine für Menschen unbewohnbare Hölle verwandeln.

Wir brauchen nicht nur eine radikal mutige Klimapolitik, wir brauchen auch eine deutliche Sprache. Alles werde gut.

Ursula von Arx hat sich vorgenommen, täglich mindestens einmal die Worte «Klimatod», «Klimakatastrophe» und «Klimakiller» zu verwenden. Doch oft fehlt ihr der Mut zu so viel Ungemütlichkeit. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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