Wir nagen am Deutschen als Männersprache, wir nagen und nagen. Vor rund 40 Jahren hat uns die deutsche Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch den Knochen hingeworfen und wir können ihn bis heute nicht weglegen, im Gegenteil, er ist seither immer grösser geworden. Kein Geschlecht soll mehr in der Sprache verschwinden wie hinter einer Burka, so der Anspruch. Heute sollen nicht nur Frauen sichtbar werden, sondern auch alle diejenigen, die sich weder als Frau noch als Mann, sondern anders fühlen. Auch diese haben das Recht auf sprachliche Repräsentation und Anerkennung, zum Beispiel, liebe Leser*innen, durch einen Genderstern.
Gegner verweisen auf aussersprachliche Faktoren
Gerade letzte Woche gab die Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung den Lehrpersonen die Empfehlung ab, den Genderstern im Unterricht zu verwenden und «Konsequenzen für die Nichteinhaltung des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs» festzulegen.
Doch nicht nur die Freund*innen einer geschlechtergerechten Sprache haben gute Gründe für ihre Position, sondern auch die Gender-Gegner. Während die einen Assoziationsstudien zitieren, die belegen, dass beim Wort «Lehrer» vor unserem inneren Auge automatisch eine männliche Gestalt erscheint, weisen die anderen auf die Wandelbarkeit dieser Assoziationen hin und zwar in Abhängigkeit von aussersprachlichen Faktoren. Wäre seit 16 Jahren konsequent vom Bundeskanzler Angela Merkel die Rede, so behaupten sie, dann wäre «Bundeskanzler» für Kinder, die in dieser Zeit gross geworden sind, geschlechtsneutral bis weiblich konnotiert.
Die Briten strichen die weibliche Endung weg
Die Briten wählten diesen Weg. Theresa May war «Prime Minister». Helen Mirren ist ein «actor».
Bundesrat Viola Amherd. Richter Helen Keller. Schauspieler Ursula Andress. Hätten wir uns die letzten Jahrzehnte daran gewöhnen sollen? Statt dafür zu kämpfen, dass wir von «Bundesrätinnen und Bundesräten», «Wählerinnen und Wählern», «Anlegerinnen und Anlegern» sprechen?
Als Luise F. Pusch uns den Knochen vorlegte, waren unverheiratete Frauen noch Fräuleins. Es hatte noch nie einen weiblichen Bundesrat gegeben. Und eine Frau, die eine Karriere anstrebte, galt vielen als selbstsüchtig.
Sind wir darüber hinweg? War die geschlechtergerechte Sprache ein zwar notwendiger, aber riesiger Umweg? Schluss mit Gendern? Alles wird gut.
Ursula von Arx versteht Nele Pollatschek, wenn sie sagt, dass, wer sie Schriftstellerin nenne, auch gleich «Vagina!» rufen könne. Und sieht sich dennoch noch nicht als Kolumnist. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.